von Heribert Schiedel
Die Erfolge der 2001 gegründeten Südtiroler Rechtsrockband Frei.Wild beweisen einmal mehr, dass und in welchem Ausmaß das kulturindustrielle Produkt „Rock“ mit konformistischen bis autoritären Einstellungen verbunden werden kann. Im Falle der vier Prollrocker aus Brixen/Bressanone kommen völkisch-nationalistische Momente dazu. Das Rebellische erschöpft sich bei Frei.Wild weitgehend in Treuschwüren gegenüber Deutschland und Hass auf den italienischen Staat – als „fremde“ Herrschaft. Aus inneritalienischer Perspektive wirkt der subkulturell-rebellische Habitus der Band weniger aufgesetzt als von außen betrachtet: deutsch-völkischer Nationalismus hat in Italien tatsächlich etwas Oppositionelles.
Politik des „Unpolitischen“
Medien berichten immer wieder über die gewalttätige Neonaziskin-Vergangenheit des Sängers Philipp Burger (Kaiserjäger). Diese wird von diesem aber gar nicht verleugnet, sondern mit Stolz einbekannt. Während man sich in Statements oberflächlich von Nazis(mus) distanziert, werden in den Liedertexten die Ambivalenzen deutlich: „Keine Sage dieser Welt verzichtet auf ihren Held,/weil ein jedes Wesen dieser Welt sich selbst durch sie erhält./Wollte mein eigener Held sein, Stärke zeigen, ohne Rücksicht auf Verluste,/wobei ich damals nicht recht weit gedacht hab und auch wie heute nicht alles wusste./Das Bild von meiner Zukunft war ein Meisterwerk aus Farbe und hellem Licht,/(…)Man denkt und hofft zugleich, mir ging es damals doch recht gut,/das alleine ist die Kraft, die dich zum Kämpfer macht.“
Aber auch schon den öffentlichen Distanzierungen ist anzumerken, wie sie gemeint sind: Als Burger 2008 aus den rechtspopulistischen Südtiroler Freiheitlichen austrat, tat er dies laut Eigenbekunden „nicht etwa deswegen“, weil er „mit dem Parteiprogramm nicht einverstanden“ gewesen wäre, sondern um der Band nicht zu schaden. Im Interview mit laut.de nennt Burger sein Engagement in der Rechten lapidar einen „ziemlichen Schwachsinn, den ich da recht blauäugig angegangen bin“ – die Selbstkritik erschöpfts sich in der Feststellung, naiv gewesen zu sein. Wie bei allen rechten Pseudo-Distanzierungen vom (Neo-)Nazismus zieht sich auch bei Frei.Wild daneben das Muster der Relativierung durch. Die Abgrenzung vom „Extremismus von links und rechts“ relativiert sich nicht nur durch die Gleichsetzung von Unvergleichlichem, sondern auch durch ihre Oberflächlichkeit und Floskelhaftigkeit. Der Widerspruch zwischen den Lippenbekenntnissen der Kitschrocker und ihren Inhalten sticht auch den Rechten in die Augen. Felix Menzel kann ihn sich in Sezession 35/2010 nur mit der Knechtschaft durch das „politisch korrekte Management der Band“ erklären.
Gleich den Böhsen Onkelz, der „geilsten Band der Welt“, und anderen (vormaligen) Rechtsrockbands antworten Frei.Wild auf die Kritik an ihrer Rechtsorientierung mit der Feststellung, „unpolitisch“ zu sein, was einerseits eine reine Schutzbehauptung darstellt, andererseits tatsächlich der Selbstwahrnehmung entspringt. Denn die relevanten Bezugsgrößen der Rechtsrocker sind allesamt nicht politisch, sondern angeblich „organisch“ gewachsen und daher nicht verhandelbar. Auch der Patriotismus, dessen man sich rühmt, entstammt als vermeintlich natürlicher emotionaler Ausdruck von völkischer Gemeinschaft dem Vorpolitischen, darum muss man sich für ihn auch nicht rechtfertigen. Nur „Vollidioten“ würden in „Heimatliebe“ etwas Politisches sehen: „Wir haben immer gesagt,/dass wir das Land hier von Herzen lieben,/Balsam für die Seele, wie wir Euch damit provozieren./Ihr seid dumm, dumm und naiv, wenn Ihr denkt, Heimatliebe = Politik. (…)//Schaut Euch mal um: Das Paradies auf Erden liegt hier mitten in den Bergen,/jeder Volksmusikant/tritt live im Fernsehen auf,/singt über das gleiche Thema,/doch da fällt`s keinem auf./Das ist das Land der Vollidioten,/die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat,/wir sind keine Neonazis und keine Anarchisten,/wir sind einfach gleich wie Ihr, von hier.“
Jungmannrock
Schon mit der Wahl des Namens wollte man den emotionalen Bedürfnissen männlicher Adoleszenter gehorchen: es handle sich dabei um „zwei Wörter, die typisch für jugendliche Einstellungen sind“, so Bandführer Burger. Gleiches gilt für die Texte: Frei.Wild verbinden erfolgreich völkisch-deutschen Nationalismus mit männlich-pubertären Sehnsüchten, Ängsten und (Gewalt-)Inszenierungen. Diese gelungene Verknüpfung macht den Erfolg von Bands wie Frei.Wild maßgeblich aus.
Das Menschen- und Weltbild von Frei.Wild ist ein völkisch-biologistisches und pessimistisches. Einmal vergleicht man sich mit einem „Baum“, der „ohne Wurzeln (…) nicht bestehen (kann)“, das andere Mal wird der ewige „Kreislauf der Natur“ besungen. Wenn aber alles immer gleich bleibt, grundlegende Veränderung unmöglich ist, kann gesellschaftlich produzierte Wut nicht zur Kritik an den Verhältnissen sublimiert werden, sondern sich nur in unmittelbare Gewalt umsetzen. So zeichnet sich Frei.Wild wie alle Rechtsrockbands durch eine affirmative (Re-)Inszenierung von Gewalt aus. Der einzige Unterschied zu Neonazibands besteht im behaupteten reaktiven Charakter der Gewalt, gemeinsam ist ihnen die offen sadistische Komponente: „(…) Seh‘ deine freche Fresse, oho,/ich erkenne Dich.//Hast auf mich geschlagen,/warst einer dieser drei./Doch in fünf Minuten,/sind’s ja eh nur noch zwei.//Denn heut‘ verhaue ich Dich,/schlag Dir mein Knie in deine Fresse rein./Heut‘ vermöbel ich Dich,/Zähne werden fallen durch mich./Und ich tret‘ Dir in deine Rippen,/schlag mit dem Ellbogen auf Dich ein./Tut mir leid mein Freundchen,/aber Rache muss sein, die muss sein.//Jetzt liegst Du am Boden,/liegst in deinem Blut./Das Blut auf meinen Fäusten,/ich find‘ das steht mir gut.“
Dauernd signalisieren die Bergbauernrocker ihre Bereitschaft „zum Kämpfen“. Nach dem Vorbild der Urgroßväter erlauben sich die (Körper-)Panzer auf zwei Beinen dabei „keine Emotion“ und keine Zweifel am eigenen Sieg. Die narzisstische Größenphantasie steigert sich schließlich zu Allmachtsgefühlen: „Ich bin der Herr der Welt“. Es ist vor allem der gekränkte Narzissmus der jungen Männer, den sich Frei.Wild zu Nutze macht. Gegen deren Erfahrungen von Überzähligkeit, Schwäche und Beschämung setzt man die Phantasie, endlich mal auf der siegreichen Seite zu stehen: „sieger stehen da auf wo verlierer liegen bleiben/nein, du bist kein verlierer,/so schnell machst du dir nicht ins hemd./(…) angst jedoch die kennt ein jeder,/doch selten spürt sie wohl der jäger./rückzug fällt für dich nicht ins gewicht,/ist der feigheit verdammtes arschgesicht./you are the best – fuck the rest,/ du bist stärker als du denkst,/gehst nach vorn, nicht zurück,/eroberst selbstwertdasein nach und nach zurück./angriff, sturm, satz und sieg,/weils kein aufgeben für dich gibt,/wirst du am leben bleiben,/wird man sich vor dir verneigen,/wirst du zwar manchmal leiden,/aber auch stets du selber bleiben.“
Da die äußere Realität nicht immer allen erlaubt, sich als Sieger zu fühlen, flieht man in grandiose Wunschphantasien: „Hast du nie geträumt von 1000 Frauen, die dich alle lieben/Tief drin in dir, tief drin in dir, gibt’s eine Welt, gibt’s eine Welt, die gehört nur dir allein.“ In dieser besungenen Traumwelt sind die Straßen zudem „frei von Perversen und Chaoten“. Während im Tagtraum Frauen zu Tausenden einen anhimmeln, sind sie in der Realität eine Bedrohung für den Männerbund: „Er war dein freund du hast die Zeit mit ihm verbraucht/Er war dein freund und ihr habt viel gelacht/doch durch die Freundin die er hat ist eine Mauer entstanden/(…)Ist es wirklich so hat sie dich umerzogen/(…)so manches Bierchen zusammen gesoffen/Fast 100% die gleichen Entscheidungen getroffen/die selben Freunde und die selben Feinde/Wir und die anderen waren doch so was wie ne Gemeinde/(…)Dein leben lang waren wir deine Freunde und nicht sie/Das darfst du nie vergessen, vergiss das nie“
Der Männerbund wird durch nicht eingestandene Ängste zusammengeschweißt: „wir halten zusammen – Mann für Mann!“ Der Eintritt in die Gruppe gibt Sicherheit und Kraft – um den Preis der Entindividualisierung: „Einheit steht für vieles, steht für Macht/Freundschaft schweißt zusammen, gibt ihr Kraft/Doch wer ewig aus der Reihe tanzt und eigene Wege geht/Ist das schwächste Glied, das auf dem Looser-Teppich steht//Zusammen sind wir stark und hart wie Stein.“
Autoritäre Rebellion
„Patriotische“ Bands wie Frei.Wild und ihre Erfolge sind gleichermaßen Ausdruck wie Motor der rechten Fanatisierung Jugendlicher. Als deren Unterstrom ist eine neoliberale und konservative Hegemonie namhaft zu machen: Die konformistische „Generation Leistung“ hat die „Werte der Heimat“ verinnerlicht, ihre (Über-)Affirmation zieht sich demnach auch durch die Texte der Südtiroler Schmalzrocker. Man bezeichnet sich als „Christen“, beklagt, dass „Kreuze (…) aus Schulen entfernt (werden)“, träumt von „früheren Zeiten“ und behauptet, viel von „den alten Leuten“ lernen zu können. Die Rebellion bleibt auf antiitalienische Statements beschränkt. Provokant dichtete man etwa zur Fußball-WM 2006 die Fanhymne „Deutschland“:„Dieses Jahr holen wir uns den Pokal/Dieses Jahr, Dieses Jahr werden wir ganz oben stehn,/unsere Fahnen in der Hand,/unterstützen wir das Land/Dieses Jahr, Dieses Jahr Holen wir uns den Pokal/zusammen stürmen wir nach vorn/lasst uns den Titel holen, den Titel holen.“
Neben Deutschland eignet sich die verkitschte „Heimat“, verstanden als Dreieinigkeit von „Volk, Tradition und Sprache“ besonders gut für den Ersatzstolz ihrer „Söhne“. Als richtige „Patrioten“ dulden sie „keine Kritik an diesem heiligen Land“, das ihr „Leben“ ist. Die Frei.Wild-Hymne „Südtirol“ gipfelt in einem antiitalienischen Kampfschwur: „Südtirol, wir tragen deine Fahne,/denn du bist das schönste Land der Welt,/Südtirol, sind stolze Söhne von dir,/unser Heimatland, wir geben dich nie mehr her./Südtirol, deinen Brüdern entrissen,/schreit’s hinaus, dass es alle wissen,/Südtirol, du bist noch nicht verlorn,/in der Hölle sollen deine Feinde schmorn.“
Aber Frei.Wild kultiviert nicht nur pangermanistischen Nationalismus und Heimatkitsch, sondern auch und vor allem das Gefühl der kleinen Leute, dauernd Opfer von „penetrante(n) Meinungsmacher(n)“ zu sein: „Das dumme Volk ist schnell zufrieden/Werft uns noch mehr Scheiße vor, wir fressen sie schon“. Am Ende steht die Auflehnung, die wie stets vor allem eine kulturelle ist: „Weg mit dem Mist, den ihr uns vorwerft, es braucht ihn keiner“. Als ohnmächtige „Durchschnittsleute“ lästern sie gegen die da Oben, die „reichen Säcke“ oder „Schweine“, ein Ausweg aus der Malaise zeigt sich nicht. Diese spezifische Verbindung von Autoritarismus und Unterordnung mit Rebellion und Scheinaufstand ist das Erfolgsrezept auch von Frei.Wild. Anstatt sich auf die Frage zu beschränken, wie weit rechts außen die Band zu verorten ist, sollte sie als verquerer Ausdruck herrschender und gleichzeitig wild gewordener Normalität analysiert und kritisiert werden.
*Langfassung eines Artikels für den Rechten Rand (Nr. 129), veröffentlich anlässlich des frei.wild-Konzertes im Wiener Gasometer am 9. November 2012
Weitere Informationen:
AIB: „Frei.Wild“: Zwischen Kitsch und Subkultur
Publikative.org: Kein Frei.Wild!
Frei.Wild-Dossier der Antifa Meran(o)
egotronic: Die Band der Vollidioten