erschienen in fiber #23
Judith Goetz
Obwohl in Deutschland seit Ende der 1980er frauenspezifische und später auch geschlechtersensible Rechtsextremismusforschung betrieben wird, haben die bisherigen Forschungsergebnisse nur bedingt Eingang in die mit Rechtsextremismus verbundenen pädagogischen Konzepte gefunden. Lange Zeit wurde zwar Rechtsextremismusprävention mit Jugendlichen betrieben, ohne jedoch zu benennen bzw. zu reflektieren, dass es sich (fast) ausschließlich um Konzepte für männliche Jugendliche handelte und auch die damit verbundenen Männlichkeitskonzepte unbeachtet blieben. Der kürzlich erschienene Sammelband „Gender und Rechtsextremismusprävention“ versucht nicht nur diese Leerstellen zu füllen, sondern auch wissenschaftliche Beiträge mit Erfahrungsberichten aus der Praxis zusammenzuführen und dabei geschlechterreflektierende Ansätze für die Arbeit gegen Rechtsextremismus fruchtbar zu machen. In dem in drei Abschnitte unterteilten, facettenreichen Sammelband kontextualisieren Eingangs Texte aus historischer Perspektive „Entstehungsbedingungen verschiedener Verständnisse von Geschlechtergerechtigkeit“ in der DDR und der BRD. Im zweiten Abschnitt „Innenansichten“ setzt sich beispielsweise Andrea Röpke mit rechtsextremen Familien und damit verbundenen Erziehungsstilen auseinander. IDer letzte Abschnitt widmet sich bereits gesammelten Praxis-Erfahrungen und veranschaulicht anhand von unterschiedlichen Beispielen (Interviews mit Aussteigerinnen, Arbeit mit Schülerinnen oder ein Projekt aus Ludwigslust) die Möglichkeiten aber auch Schwachstellen bisheriger Auseinandersetzungen mit der Thematik. So zeigt beispielsweise Esther Lehnert auf, dass Volksgemeinschaftsideologie oftmals als Schutzraum für Mädchen und Frauen vor sexualisierter Gewalt fungiert und plädiert daher dafür, parteiliche Mädchenarbeit und Rechtsextremismusprävention zusammen zu denken. Gerade weil Untersuchungen der Einstiegsmotive ergeben haben, dass es zumeist nicht den „einen Grund“ gibt, sondern gerade die Vielschichtigkeit des Rechtsextremismus einen besonderem Reiz für Mädchen und Frauen ausmacht, müssen, so eine wichtige Erkenntnis des Bandes, diese Vielschichtigkeiten auch in der Präventionsarbeit berücksichtigt werden. Der Sammelband gibt spannende wie auch erschreckende Einblicke in das beeindruckende Engagement von Wissenschaftler_innen und Pädagog_innen. Gleichzeitig wird auch deutlich, wie veraltet vergleichbare Auseinandersetzungen in Österreich sind, da es hierzulande (mit wenigen Ausnahmen) nicht einmal geschlechterunsensible Präventionsarbeit gibt.
Amadez Antonio Stfitung/Ravdan, Heike: Gender und Rechtsextremismusprävention. Berlin. Metropol-Verlag. 2013. 296 Seiten.