Heribert Schiedel

Die von einem kleinen Zirkel um Parteichef Heinz-Christian Strache streng konspirativ vorbereite erste Israel-Reise Ende 2010 gehorchte freiheitlichen Interessen – vor allem dem der Salonfähigkeit. Dass man diese in Israel zu erlangen versucht, spricht Bände über die in der FPÖ herrschenden Vorstellungen von den globalen Machtverhältnissen. So ist bei Andreas Mölzer noch in der Distanzierung vom Antisemitismus Zustimmung zu diesem zu finden: „Was schließlich die Behauptung betrifft, Straches Besuch in Israel sei nichts weiter als eine Demutsgeste angesichts des jüdisch-israelischen Einflusses in der Welt, in Washington ebenso wie im europäischen Bereich, gewesen, so darf man schon fragen, ob es wirklich verboten sein muss, dass eine national-freiheitliche Bewegung wie die FPÖ eine Normalisierung ihres Verhältnisses gegenüber Israel und dem Judentum anstrebt.“[2]

Es war der 2008 tödlich verunglückte Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der schon in den späten 1990er Jahren unter dem teilweise offenen Murren der Parteibasis versuchte, mit Hilfe des jüdischen FPÖ-Generalsekretärs Peter Sichrovsky, sich und die Freiheitlichen vom Vorwurf des Antisemitismus frei zu spielen. Jedoch erwies sich der antisemitische Unterstrom einmal mehr als stärker: Mit den hetzerischen Angriffen auf den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant (2001), und seiner Solidaritäts-Reise zu Saddam Hussein (2002) machte Haider selbst alle kosmetischen Anstrengungen zunichte.[3]

Mittlerweile liegt es an dem Wiener FPÖ-Stadtrat David Lasar, als jüdischer Persilscheingeber zu fungieren und Angriffe auf die IKG zu starten. Lasar, der für die erfolgreiche Kontaktaufnahme zu israelischen Rechten mitverantwortlich ist, unterstellte Anfang 2009 Muzicant als Motiv seiner Kritik an der FPÖ nicht nur „parteipolitische“ (sozialistische) Interessen, sondern vor allem ökonomische: Der große „Baubetreiber“ versuche mittels „Tiraden gegen die FPÖ […] über die Wiener SPÖ neue Großprojekte zu lukrieren“.[4] Im Wiener Wahlkampf 2010 ritt Lasar für die FPÖ wüste Attacken gegen die SPÖ („Islamistenpartei“) und deren Landtagsabgeordneten Omar al Rawi. Dieser wurde für die antiisraelischen und mehrheitlich türkisch-nationalistisch und islamistisch motivierten Proteste auf den Straßen Wiens im Anschluss an die militärische Aufbringung der „Gaza-Solidaritätsflotte“ verantwortlich gemacht. Dass zuvor im Wiener Landtag auch die FPÖ al Rawis Antrag zur einseitigen Verurteilung des dämonisierten Israels zugestimmt hatte, ließen die Freiheitlichen dabei diskret unter den Tisch fallen.[5]

Die plötzliche pro-israelische Begeisterung der FPÖ-Spitze basiert auf dem Irrglauben, der Nahostkonflikt sei auf israelischer Seite vorrangig religiös begründet und Israel daher ein Frontstaat im Kampf gegen den „Islamismus“. Die Entdeckung Israels als Verbündeten im Kampf gegen „Islamismus“ und „Terrorismus“ schien aber manche/n Freiheitliche/n zunächst zu überfordern. Viele fühlten sich angesichts des putschartigen Richtungswechsels, wie er sich in den plötzlichen pro-zionistischen Statements Straches scheinbar ausdrückte, bereits an die späten 1990er Jahre erinnert. Damals begann Jörg Haider, berauscht von seinen Erfolgen, sich mehr und mehr zu verselbständigen. Nun drohe Strache, sich gemeinsam mit einer Gruppe von Vertrauten über die Parteigremien zu stellen und jenseits gültiger Parteibeschlüsse zu agieren. Tatsächlich widerspricht die – eben darum unter strikter Geheimhaltung geplante – Reise und insbesondere die dabei verabschiedete „Jerusalemer Erklärung“ etwa dem FPÖ-Positionspapier „Wir und der Islam“. Dort zollte man 2008 der „geopolitischen Bedeutung des Islam“ noch großen Respekt. Zudem versicherte die FPÖ den „Bestrebungen der islamischen Welt, sich von Fremdbestimmung zu emanzipieren“, ihre Unterstützung. Diese galt insbesondere für die Opfer von Israels „aggressive[r] Unterdrückungspolitik“.[6] Vor allem der plötzliche positive Bezug auf die „jüdisch-christlichen kulturellen Werte[n]“[7] stieß viele an der freiheitlichen Basis übel auf. In Andreas Mölzers Zur Zeit hieß es etwa: „In jüngster Zeit beschwören vor allem Politiker und Intellektuelle das ‚christlich-jüdische Erbe’, das Europa wesentlich geprägt haben soll. Es hat den Anschein, die Begrifflichkeit des Abendlandes, die über Jahrhunderte nur das Christentum implizierte, soll von einer politisch korrekteren Definition abgelöst werden.“[8]

Nach der Israel-Reise hatte die FPÖ-Spitze viel zu tun, um die damalige innerparteiliche Empörung über die „Demutsgeste angesichts des jüdisch-israelischen Einflusses in der Welt“ (Mölzer) zu kalmieren.[9] Man wurde nicht müde zu betonen, dass diese Reise nichts am konsequenten Einsatz der FPÖ „für die Rechte der Palästinenser“ und an den „traditionell positive[n] Beziehungen zur islamischen Welt“ geändert hätte. Schließlich versicherte Mölzer den „Zweiflern aus den Reihen des nationalen Lagers“, dass „Strache […] nicht Gianfranco Fini [ist]! Auch wenn er den Ausgleich mit Israel und dem Judentum sucht, wird er deshalb nicht, wie der Italiener, die eigene Gesinnung und die eigene Gesinnungsgemeinschaft verraten.“[10]

Die ideologischen Hintergründe der plötzlichen Liebe Rechtsextremer zu Israel legte der euro-rechte Netzwerker Patrik Brinkmann bereits vor der Reise dar. Unter dem Titel „Den inneren Kompass finden“ publizierte er im März 2010 seine Pläne für eine „Pilgerreise nach Israel“ 2011.[11] Brinkmann, der von der NPD über die Deutsche Volksunion bis zur pro-„Bewegung“ schon fast alle relevanten rechtsextremen Gruppen in Deutschland unterstützte, freut sich, dass die „echte Rechte“ in der gemeinsamen „Verteidigung des Abendlandes“ vorm Islam endlich ihr einigendes Thema gefunden habe.[12] Dieses verbinde sie eben auch mit Israel, das zwar irgendwie jüdisch ist, aber gleichzeitig doch auch etwas Preußisches an sich habe. In der Tradition der alten, bis Ende der 1960er Jahre pro-zionistischen Rechten äußert Brinkmann in seinem Aufruf Bewunderung für die israelische Aufbauleistung. In den jüdischen Israelis erkennt er die Deutschen wieder, beiden hätten eine „besondere Begabung“, beide würden daher polarisieren. Auf gar keinen Fall seien die Israelreisen als reine „Bußübung zu sehen“, wie dies die immer noch nazistischen Teile der deutsch-österreichischen Rechten kritisierten. Da es laut Brinkmann „trotz der Ereignisse der NS-Zeit“ in „Wirklichkeit nichts [gibt], was die beiden Völker trennt“, bräuchte die Sprache nicht auf deutsch-österreichische Schuld und Verantwortung zu kommen. Tatsächlich bedeutet auch 2010 eine vermeintlich pro-zionistische/-israelische Positionierung unter Rechten nicht automatisch das Verschwinden des Antisemitismus, vielmehr geht beides zusammen. Bei Brinkmann etwa äußert sich dies in Formulierungen wie „Weder Davidstern noch Halbmond!“.[13] Bei den Identitären heißt das heute „Weder Kippa noch Palituch“ (s. u.).

In der von Rechtsextremen und Neonazis heftig kritisierten[14] Kontaktaufnahme mit israelischen Rechtsaußenkräften drückt sich eine gewisse Differenzierung innerhalb der europäischen extremen Rechten aus. Während die neonazistischen Parteien und Gruppen ihren Hauptfeind immer noch in der halluzinierten jüdischen (heute auch gerne US-amerikanischen) Weltherrschaft sehen und manche bei deren Bekämpfung auch Bündnisse mit dem Islamismus eingehen[15], sind die rechtpopulistischen Parteien mehrheitlich als pro-westlich zu charakterisieren. Geert Wilders als einer ihrer Anführer reist regelmäßig nach Israel, wo er schon 2008 auf einem „Anti-Islamisierungskongress“ behauptete, dass er und seinesgleichen Jerusalem „im Blut“ und in den „Genen“ tragen würden.[16] Der niederländische Rechtspopulist war aber bis 2013 darauf bedacht, sich vom antimuslimischen Rassismus der Rechtsextremen abzugrenzen. Während etwa Freiheitliche offen gegen Muslime/as hetzen, richtete sich Wilders’ Ressentiment vorrangig gegen den Islam. Dementsprechend war der niederländische Rechtspopulist zunächst noch um Distanz zum FPÖ-Obmann bemüht, auch in Israel zeigte man sich im Dezember 2010 nicht gemeinsam.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verzieh Wilders seine damalige Distanzierung nicht und versuchte, den Spieß umzudrehen: „Ich halte Geert Wilders für ein Strohfeuer, das bald erlöschen könnte. Eine Zusammenarbeit strebe ich aufgrund seiner undifferenzierten Positionen nicht an. Jemand, der Aussagen tätigt, wie etwa, dass man die Araber hinter den Jordan zurücktreiben müsse, oder der Koran-Verbrennungen initiiert, kann für uns kein Partner sein. Wilders ist ein Selbstdarsteller und eine Ein-Mann-Partei. Seine Aussagen schaden eher einer kritischen Auseinandersetzungen mit dem Islamismus, als dass sie nützen.“[17]

Auch die Zur Zeit-Redaktion um das damalige FPÖ-MEP Andreas Mölzer grenzte sich zunächst deutlich von antiislamischen Kräften und „Israel-Lobbyisten“ ab: Die Vertreter des antimuslimischen Blogs Politically Incorrect (PI) hätten sich über ihre Kontakte zu Wilders und Rene Stadtkewitz (Die Freiheit) in die Israel-Reisegruppe geschummelt. Der von PI propagierte Antiislamismus treibe „bereits bizarre Blüten“ und sei von der – eben antimuslimischen – Agitation der FPÖ zu unterscheiden. So kämen die Freiheitlichen niemals auf die Idee, „die Palästinenser samt und sonders aus dem Westjordanland hinauszuwerfen und in die Wüste zu treiben, den Koran als religiöses Werk zu verbieten und den Islam als monotheistische Weltreligion insgesamt als totalitär zu ahnden“.[18]

Auch wenn manche in der Euro-Rechten im Kampf gegen den „Islamismus“ gegenwärtig Israel für einen Verbündeten halten und vordergründig dem Antisemitismus abschwören, wurde dieser längst nicht vom antimuslimischen Rassismus abgelöst. Antisemitismus und Rassismus erfüllen unterschiedliche Funktionen, ergänzen sich sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene viel zu gut, als dass der eine den anderen erfolgreich ersetzen könnte. Bei aller anhaltenden Differenz von Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus bestehen aber auch Ähnlichkeiten und innere Verbindungslinien. Der aktuelle Erfolg des Letzteren lässt sich nicht verstehen ohne die historische Wirkmacht des Ersteren. In der Analyse der Intellektualisierungen des Hasses werden diese Kontinuitäten rasch deutlich.

Die 2005 voll einsetzende antimuslimische Agitation verdrängte auch im Fall der FPÖ den Antisemitismus nicht, vielmehr setzte sie sich gewissermaßen auf ihn drauf. Da der Antisemitismus dem völkischen Programm im Kern, insbesondere der Forderung nach homogener „(Volks-)Gemeinschaft“ eingeschrieben ist, kann er auch nicht so einfach oder nur zum Preis des Selbstverrates aufgegeben werden. Zudem hat er sozial wie psychisch eine andere Funktion als der (antimuslimische) Rassismus. Während die rassistischen Objekte unten, gegenwärtig gerne im finsteren Mittelalter und manchmal gar noch in der Natur verortet werden, handelt es sich bei den antisemitischen Objekten um verfolgende. Dem Juden kommt seit dem über Jahrhunderte behaupteten Gottesmord jene unheimliche Macht zu, gegen die der/die AntisemitIn seinen/ihren autoritären Scheinaufstand richtet.

Bei allen unbestrittenen Parallelen: Nur auf einer sehr allgemeinen Ebene und in einer Forschung, die Antisemitismus und Rassismus als bloßes „Vorurteil“ verkennt, verdecken die Ähnlichkeiten die Unterschiede. Letztere sind jedoch zentral: Der Jude stellt den nahen (unheimlichen) Anderen der (säkularisierten) christlichen Kultur dar, der Moslem ihren fremden Anderen. Im Antisemitismus besteht eine genaue Vorstellung von der Schlechtigkeit des Judentums und die einzelnen Jüdinnen und Juden werden (deduktiv) in diese Vorstellungswelt gepresst, während der Rassismus genau umgekehrt (induktiv) vorgeht: Er verallgemeinert, schließt vom einzelnen oder von mehreren auf alle Muslime/as. Schließlich und vor allem kennt der antimuslimische Rassismus die den Antisemitismus kennzeichnende „doppelte Unterscheidung“ nicht, wonach Jüdinnen und Juden einerseits als gemeinschaftsfremde Gruppe, andererseits mit der Gemeinschaft zersetzenden Moderne und deren Sozialmodell Gesellschaft identifiziert werden.[19]

Analytisch derart zwischen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus zu differenzieren, bedeutet jedoch nicht, die Opfer von beiden gegeneinander auszuspielen. Genau sowenig muss die Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus gleichbedeutend mit der Verleugnung des Antisemitismus unter Muslime/as sein.

Identitäre Äquivalenz

Als der FPÖ nahe stehende Gruppierung müssen sich auch die Identitären heute mit der „Frage der Vergangenheit und der Haltung zu Israel“[20] auseinandersetzen. Dabei geht es ihnen „nicht um Geopolitik und große Allianzen, sondern erst einmal um Fragen wie die der Schuld, der Aufarbeitung unserer Geschichte und einer echten Versöhnung. Wir wollen ein gesundes Selbstverhältnis und eine gesunde Beziehung zum jüdischen Volk aufbauen.“ Wie stets, wenn extreme Rechte von Gesundheit reden, ist die Abwehr nicht weit, so auch im Falle der Identitären:  „Wir distanzieren uns klar […] von einer kultischen Politik der Schuld und einem neurotischen Selbsthass, mit dem keinem gedient ist.“ Demgegenüber fordert man „eine echte Aufarbeitung, die in einer echten, dauerhaften Versöhnung ihren Abschluss findet.“ Demgegenüber lehnen die Identitären „die quasi-religiöse Institutionalisierung und den Missbrauch dieser Katastrophe und eine absolut einseitige Betrachtung der deutschen Geschichte ab. Der Holocaust ist für uns […] kein Gründungsmythos und nicht das Zentrum der deutschen Geschichte.“ Anstatt „in einem kulturellen Selbsthass als ‚ewiges Tätervolk’“ zu erscheinen, sollten die Deutschen „im Rahmen einer echten Aufarbeitung zu einer gesunden, selbstbewussten Identität zurückfinden, aus der erst eine ebenso gesunde Beziehung zum jüdischen Volk entspringen kann.“ Schließlich grenzt man sich von der FPÖ ab, ohne aber die Mutterpartei beim Namen zu nennen: „Wir lehnen jeden Antisemitismus ab, ohne in eine pathologische Überidentifikation mit Israel zu kippen. Dass Israel und Teile der US-Politik ein strategisches Interesse daran haben, dass in Europa kein islamisches Kalifat entsteht, ist nur verständlich. Wir haben aber ein identitäres, existenzielles Interesse daran. Wir wollen nicht zu einer willenlosen Schachfigur in einer transatlantischen, westlichen Allianz werden, sondern als Deutschland und Europa selbstbewusst und eigenständig auftreten.“

An dieser Differenz wird das Bündnis zwischen FPÖ und Identitären aber nicht zerbrechen, zumal die völkischen Prinzipienreiter wissen, was sie an Strache haben – einen Eisbrecher am Weg zur politischen Macht.

Vgl. zu den „Identitären“ auch „Neue“ Rechte in Österreich

* Vom Autor überarbeitete Version aus: Schiedel, Heribert: Extreme Rechte in Europa. Wien 2011

[2] http://andreasmoelzer.wordpress.com/2010/12/09/wem-gehort-israel/ (13. 6. 2016)

[3] Schiedel, Heribert (2002): Haider statt Sichrovsky – Die FPÖ wurde, was sie war; auf: http://www.contextxxi.at/context/content/view/222/97/index.html (13. 6. 2016)

[4] APA-OTS, 21. 2. 2009

[5] http://www.stopptdierechten.at/2010/09/01/ikg-bezeichnet-fpo-aussagen-gegen-islamisten-als-%E2%80%9Cheuchlerisch%E2%80%9D/ (13. 6. 2016)

[6] www.fpoe-parlamentsklub.at./fileadmin/Contentpool/Parlament/PDF/Wir_und_der_Islam_-_Freiheitliche_Positionen.pdf (5. 3. 2011)

[7] http://www.strache.at/2011/?id=60&newsid=2392&p=13&s=0 (20. 7. 2011)

[8] Zur Zeit, Nr. 16-17/2011, S. 1. Noch weiter geht wie so oft das „freiheitliche Magazin“ Die Aula und polemisiert auch gegen den Bezug auf die „christlichen Wurzeln“. Diese würden gar nicht existieren, vielmehr handle es sich um „eigenes [„germanisches“, Anm.] Brauchtum mit orientalischen Einflüssen.“ Wird neben dem christlichen dann auch noch gar ein jüdischer Einfluss auf das europäische Geistesleben behauptet, sei dies „gänzlich abwegig“. Denn das „Neue Testament“ sei der „Gegenentwurf“ zum „Alten Testament“, wie „unmissverständlich aus Johannes 8/44 […] hervorgeht: Ihr [die „Juden“, Anm.] habt den Teufel zum Vater“. Während in den vergangenen Jahrhunderten „die Juden gemäß Neuem Testament“ und daher zu Recht „als Gottesmörder wahrgenommen wurden“, sei es „in den letzten Jahren […] auf massiven zionistischen Druck“ hin zu einer Rücknahme der antijüdischen Blutbeschuldigung gekommen. (Die Aula, 11/2010, S. 23)

[9] Das freiheitliche Urgestein Otto Scrinzi gehörte zu den schärfsten (öffentlichen) KritikerInnen von Straches Israel-Reise im Dezember 2010: „Die Wende in der Außenpolitik der FPÖ-Spitze, welche zu einer überraschenden Liebeserklärung für den Staat Israel geführt hat, scheint auf ein Gut-Wetter-Machen hinauszulaufen. Offenbar will man für den Fall des Falles einer Wiederauflage von Sanktionen wie im Frühjahr 2000 vorbeugen. Wie der harte Kern diesen Schwenk aufnehmen wird, ist ebenso ungewiß wie die Frage, ob er am globalen volksfeindlichen Konzept der Einweltler was ändern wird.“ (fakten,12-1/2011, S. 14f)

[10] http://andreasmoelzer.wordpress.com/2010/12/09/wem-gehort-israel/ (13. 6. 2016)

[11] http://www.patrik-brinkmann.de/site/?p=68 (5. 3. 2011)

[12] http://www.freiheitlich.org/2010/12/14/patrik-brinkmann-%E2%80%9Edie-echte-rechte-hat-jetzt-eine-historische-chance%E2%80%9C/ (20. 7. 2011)

[13] http://www.patrik-brinkmann.de/site/?p=68 (5. 3. 2011)

[14] In einer Reaktion von deutschen Neonazis auf die Israel-Reise von Strache und Co. heißt es etwa: „Die Palästina-Reise der populistischen Pseudopatrioten bedeutet eine neue Phase in der politischen Auseinandersetzung. Wer sich gegen die Landnahme fremder Völkerschaften in Europa ausspricht, kann nicht gleichzeitig die Vertreibung anderer Völker aus ihrer angestammten Heimat befürworten. Tut er das doch, sind offensichtlich fremde Interessen im Spiel. Angesichts dieser ideologischen Zuspitzung ist dem linksnationalen Journalisten Jürgen Elsässer zuzustimmen: die Trennlinie verläuft heute nicht mehr »zwischen Linken und Rechten, sondern zwischen Demokraten und Imperialisten«.“ (http://www.deutsche-stimme.de/ds/?p=4056, 20. 7. 2011)

[15] http://www.doew.at/cms/download/b3cc7/re_maegerle_schiedel_allianz.pdf

[16] http://www.myplick.com/view/8czHyOO2JaO/Rede-von-Geert-Wilders-in-Jerusalem (20. 7. 2011)

[17] Zur Zeit, 3/2011, S. 11

[18] Ebd., S. 13

[19] Holz, Klaus: Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung. Hamburg 2001, S. 544

[20] „Weder Kippa noch Palituch“; auf: https://identitaerebewegung.wordpress.com/positionierungen/weder-kippa-noch-palituch/ (13. 6. 2016)

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Bei allen Kontinuitäten ist der deutsch-österreichische Rechtsextremismus weit davon entfernt, ein statisches Phänomen zu sein. Vielmehr wird er dauernd an die hegemonialen Bedingungen angepasst – jedoch ohne dass dabei sein ideologischer Kern, das antiliberal-völkische Primat, aufgeweicht werden würde. Auf die wachsende Ablehnung, das Scheitern bei Wahlen und – in manchen Ländern – die behördlichen Verbote neonazistischer Artikulationsformen reagierten extreme Rechte in Westeuropa ab den 1960er Jahren mit Distanzierungen gegenüber ihren Vorläufern. Diese, zuerst in Frankreich einsetzenden, Versuche von „Gegen-Intellektuellen“ (Hauke Brunkhorst), faschistisches Gedankengut „von Hitler zu befreien“ (Margret Feit), werden gemeinhin als neurechts bezeichnet. Gegen die unkritische und vorschnelle Übernahme dieser Selbstbezeichnung wandte schon der Klagenfurter Historiker Willibald Holzer ein, dass sich so „manche vorschnell als solche entdeckte programmatische Innovation moderner Gruppierungen […] sehr rasch als oft nur geringfügig modifizierte Aktualisierung faschistischer oder vorfaschistischer Ausprägungen rechtsextremer Ideologie [erweist]“. Tatsächlich sieht die so genannte Neue Rechte sehr alt aus, wenn man ihre Positionen einer genaueren Analyse unterzieht. Gerade in Österreich handelt es sich bei dieser Selbstbezeichnung von Rechtsextremen um einen Begriff, der mehr für neue Strategien und Formen als für neue Inhalte steht. Dies gilt auch für die Abgrenzung vom Neonazismus, die eben nicht umgehend als Ausdruck demokratischer Gesinnung zu gelten hätte, zumal sie doch zumeist strategisch und bloß durch Differenzen hinsichtlich der politischen Strategie (Metapolitik statt Systemüberwindung) und der Zielgruppe (intellektuelle Eliten statt kleine Leute) motiviert ist. Wer demgegenüber etwa wie im Falle der 2012 auf der Bildfläche erscheinenden Identitären unkritisch von Neuen Rechten spricht, geht den Rechtsextremen ein Stück weit auf den Leim.

Schon das erste Auftauchen des Labels Neue Rechte in Österreich verweist auf seine zentrale Funktion – die Verharmlosung. Es waren nämlich militante Neonazis, die sich Anfang der 1970er Jahre als Aktion Neue Rechte (ANR) an den Universitäten zusammenfanden und Terror verbreiteten. In den späten 1980er Jahren begann dann der von Burschenschaftern dominierte Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), die gegenintellektuellen Wortführer der deutschen Neuen Rechten an die Universität Wien einzuladen. Dass es sich dabei neuerlich um bloßen Etikettenschwindel handelte, wurde schon an der Tatsache deutlich, dass der Saalschutz bei diesen Vorträgen von Neonazis verstärkt wurde. Auch Gottfried Küssel, schon damals der ranghöchste österreichische Neonazi, holte sich 1988 beim Versuch, einen Vortrag von Pierre Krebs gegen antifaschistische Proteste abzuschirmen, blutige Schrammen.

Zu Beginn der 1990er Jahre wurde das österreichische Verbotsgesetz verschärft, dementsprechend waren Neonazis nun verstärkt dazu angehalten, ihre Propaganda zu modifizieren und vorsichtiger zu agieren. Diejenigen unter ihnen, die Matura oder gar ein Studium vorweisen konnten, versuchten dies auch in Form einer Intellektualisierung. Bei der Suche nach möglichst unverdächtigen Stichwortgebern stießen sie, mehrheitlich deutsch-völkische Korporierte, schnell auf die konservativ-revolutionären Konkurrenzfaschisten wie Arthur Möller van den Bruck und deren neurechte Adepten. Unter Rechtsextremen wirkte daneben der Knick im Aufstieg der FPÖ und Jörg Haiders, der sich dazu verstiegen hatte, öffentlich die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis zu loben, begünstigend für die partielle Übernahme neurechter Politikkonzepte. Es war vor allem der damalige FPÖ-Chefideologe Andreas Mölzer, der nach Haiders erzwungenem Rücktritt als Kärntner Landeshauptmann 1991 und den ersten FPÖ-Niederlagen sich und seinen Kameraden ein Umschwenken auf die „Metapolitik“ und den der politischen Machtübernahme vorausgehenden Kampf um die kulturelle Hegemonie verschrieb. Das Burschenschafter-Zentralorgan Die Aula begann sich nun mit neurechten Autoren wie Alain de Benoist zu füllen. Und im Aula-Verlag erschien Anfang der 1990er Jahre die wohl einzige rechtsextreme Zeitschrift, die das Etikett neurechts nicht nur zur Camouflage trug: Identität. Es war maßgeblich Jürgen Hatzenbichler, der damals über diese Zeitschrift neurechte Theorien aus Frankreich importierte und für das völkisch-korporierte FPÖ-Vorfeld publizistisch aufbereitete. Der pennale Burschenschafter musste sich aber schon Mitte der 1990er Jahre sein Scheitern eingestehen: Nach jahrelanger vergeblicher Missionierungstätigkeit beklagte er resignierend, dass die „Positionen der Alten Rechten […] leider auch im Bereich der Korporationen vielfach noch heruntergeleiert werden.“ Tatsächlich war der alte oder herkömmliche (parteiförmige) Rechtsextremismus längerfristig in Österreich zu erfolgreich, als dass er des metapolitischen Kampfes um die kulturelle Hegemonie bedürfte. Es fehlt hierzulande also ein zentrales Gründungsmoment der Neuen Rechten – die ideologische Vorherrschaft der Linken und Liberalen. Da konnten Rechtsextreme eine links-liberale Hegemonie in Österreich noch so oft behaupten, angesichts der diesen Behauptungen widersprechenden Realität verloren neurechte oder metapolitische Konzeptionen im korporierten Umfeld der FPÖ rasch wieder an Attraktivität.

Dass es dennoch auch in Österreich mit der Gründung der Identitären zu einem neuerlichen Aufflackern neurechter Politikkonzeptionen gekommen ist, scheint mehr der zunehmenden europäischen Vernetzung extremer Rechter als den konkreten hegemonialen Verhältnissen im Land geschuldet zu sein. Vor allem sind der erhöhte Repressionsdruck auf die neonazistische Szene seit Anfang 2011 (Zerschlagung der Alpen-Donau-Gruppe rund um Gottfried Küssel) und massive Rekrutierungsschwierigkeiten vieler deutsch-völkischer Studentenverbindungen als Gründungsmotive auszumachen. Schließlich decken die auf außerparlamentarischen Aktionismus und popkulturelle Inszenierungen spezialisierten Identitären im Gegensatz zum biederen Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) eine gestiegene Nachfrage von Seiten erlebnisorientierter junger Männer ab. Was so mancher Alte Herr als Anpassung an den linken Zeitgeist und die amerikanisierte Massenkultur verdammen mag, ist in Wahrheit eine notwendige Voraussetzung für die Hegemoniefähigkeit unter Jugendlichen.

Im Frühjahr 2012 etablierte der Olympia-Burschenschafter Alexander Markovics mit ein paar Waffenbrüdern eine Wiener Identitäre Richtung als Gegen-Intellektuellen-Zirkel oder Debattierklub, der einen Brückenschlag zum Rechtskonservativismus versuchte. Der nach deutschem Vorbild gestartete Versuch, Teile des politischen Konservativismus zu radikalisieren, kann aber schon als gescheitert gesehen werden: Zu offensichtlich ist die Herkunft eines Großteils der Identitären aus dem Neonazi-Milieu, auf welche sogar der heimische Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht hinweist. Das zielt vor allem auf jene Gruppe, die sich um Martin Sellner (ehem. Olympia) im Sommer 2012 bildete und nach dem Vorbild osteuropäischer Neonazis mit ihren „Hardbass“-Aktionen Veranstaltungen politischer Gegner_innen störte. Im Februar 2013 vereinten sich diese beiden Gruppen zur Identitären Bewegung Österreichs (IBÖ) und „besetzten“ gemeinsam die Votivkirche in Wien, um die damals gerade dort stattfindenden Proteste von Flüchtlingen ins Lächerliche zu ziehen.

Im bereits erwähnten VS-Bericht 2014 werden auch die Warnungen der Identitären vor einer angeblichen „Islamisierung“ als „Deckmantel“ entlarvt, unter welchem „auf einer pseudo-intellektuellen Grundlage“ versucht werde, „das eigene rassistisch/nationalistisch geprägte Weltbild zu verschleiern. […] Was sich vordergründig als ‚Kritik’ und jüngst als ‚islamkritisch’ auf der Ebene der Mobilisierung darstellt, trägt in der tatsächlichen Umsetzung oft islam-, asyl- und fremdenfeindliche Züge.“

Tatsächlich ist es nicht mehr als Mimikry, wenn Rechtsextreme heute versuchen, ihren gerne als Ethnopluralismus verharmlosten Rassismus hinter positiver klingenden Formulierungen wie der Erhaltung kultureller Identität zu verstecken. So schimmert schon beim französischen Identitären-Gründervater Fabrice Robert, im Interview mit der Jungen Freiheit (10/2013), hierbei der alte Rassismus durch: „’100 % Identität, 0 % Rassismus’. Aber mit dem territorialen Imperativ, dass ein Boden einem einzelnen Volk gehört.“

Karin Priester wies bereits 2010 darauf hin, dass „Teile des Rechtsextremismus“ nach „dem ethnopluralistischen Modernisierungsschub der 1980er Jahre versuchen […], über die Umpolung des Feindbildes, eine neue, diesmal antiislamische ‚Modernisierungswelle’ einzuleiten.“ Der antimuslimische Rassismus, der sich als Ausfluss kultur-christlichen Superioritätsdenkens jedoch nicht länger ethnopluralistisch verbrämen lässt, dient auch den Identitären vor allem als Vehikel in den Mainstream-Diskurs: Rassistische Inhalte finden leichter und mehr Gehör, wenn sie im kultur-christlichen oder vermeintlich aufgeklärten Gewand daherkommen. Die sich unter anderem in der Sarrazin-Debatte artikulierende Normalität bis Hegemonie des Feindbildes Moslems oder Islam macht dieses zum idealen Instrument, um aus der Extremismus-Ecke zu kommen.

Eine Kontinuität zwischen alten und neuen Rechten stellt der kulturelle Antiamerikanismus dar, eine aktuelle Ausformung des völkischen und über weite Strecken antisemitischen Antiliberalismus. Dieser artikuliert sich aktuell etwa in der Abrechnung der Identitären mit der rechtspopulistischen und liberalen „Islamkritik“. Während es „liberalen Islamkritikern“ um die Verteidigung „westlicher Werte“ gehe, wollen die jungen Völkischen „die gegenwärtige Dekadenz hin zu einem neuen goldenen Zeitalter überwinden“, wie der Grazer Führungskader Patrick Lenart betonte. Im Gegensatz zu den rechtspopulistischen „Islamkritikern“ würden die Identitären „den Islam in seinem angestammten Raum – etwa dem arabischen – als eine fremde Kultur [akzeptieren]“, so Lenart. Als Ursache für das „drohende Ende der europäischen Völker“ wird im programmatischen Text „Wider die liberale Islamkritik“ angegeben, „dass der Liberalismus den Selbsterhaltungstrieb der europäischen Völker derart ausgehebelt hat […]. Eine solche Gesellschaft hat keine Zukunft! Sie degeneriert zwangsläufig und wird dekadent.“ Anstatt von den „Moslems“ zu verlangen, dass sie sich in diese verkommene weil liberal-demokratische Gesellschaft integrieren, wollen die Identitären ihr „Volk wieder bekehren – weg vom Gift des Liberalismus […].“ [1]

Auch die Behauptung einer systematischen Überfremdung oder Umvolkung per Islamisierung und zum Zwecke der leichteren Beherrschbarkeit der in lauter Individuen zerfallenden Gemeinschaft ist fixer Bestandteil antisemitischer Diskurse. Weil die nationale (kulturelle) Identität den (geheimen) Welteinheitsplänen im Weg stehe, werde versucht, das „ethnische Antlitz Europas unwiderruflich“ zu verändern – ein Verschwörungsmythos, der jüngst im Aufdecken vermeintlicher (US-amerikanischer und jüdischer) Hintermänner der Fluchtbewegungen nach Europa fröhliche Urständ im freiheitlichen Milieu feierte. Der Antiamerikanismus schreibt als Zwillingsbruder des Antisemitismus diesen fort. Entsprechend der antisemitischen Figur des jenseits der nationalen Antagonismen stehenden Dritten und alle Identität auflösenden Nicht-Identischen, wird Juden[2] und den von diesen angeblich dominierten USA unterstellt, alle Völker beherrschen zu wollen.

Auch wenn sich weite Teile der extremen Rechten Westeuropas heute als frei von Antisemitismus darstellen und diesen stattdessen nur mehr bei den Moslems sehen wollen, sind sie seinem grundlegenden dichotomischen Muster und seiner verschwörungsmythischen Weltsicht weitgehend treu geblieben. Der antimuslimische Rassismus knüpft gerade in Österreich an antisemitische Traditionen an (vgl. Peham 2010). Dies zeigte sich schon Ende der 1990er Jahre in der freiheitlichen Kampagne gegen das Schächten, mit der antijüdische Blutphantasien fortgeschrieben wurden. Und als die FPÖ 2009 in einem Inserat gegen den angeblich unmittelbar drohenden EU-Beitritt der Türkei und Israels agitierte, bewies sie eindrucksvoll, dass das „christliche Abendland“ immer noch vor Juden und Moslems gleichermaßen beschützt werden muss. Auch die im Verhältnis zur FPÖ arbeitsteilig agierenden Identitären reihen sich ein in die Traditionslinien des völkischen (antiliberalen) Antisemitismus – neu daran ist höchstens die Aufmachung.

Überarbeitete Fassung eines im Rechten Rand 157/2015 erschienenen Textes (https://issuu.com/derrechterand/docs/drr_157).+

Zum Verhältnis der „Identitären“ zu Israel und Antisemitismus siehe hier.

[1]              Beim „Zwischentag“ in Berlin kam es 2012 zum Showdown zwischen rechtspopulistischen Islamfeinden und völkischen Antiwestlern: Der mittlerweile nach Wien zurückgekehrte Identitären-Kader Martin Lichtmesz bestand darauf, „dass die Völker am ‚Liberalismus’ zugrunde gingen und nicht am Islam.“ Womit er in den Augen Michael Stürzenbergers, einem Wortführer angeblich „liberaler Islamkritik“, den Blick frei gegeben hätte „auf eine völkisch-ewiggestrige Weltanschauung, deren geistige Heimat man wohl eher auf dem Nürnberger Zeppelinfeld des vergangenen Jahrhunderts verorten würde.“

[2]               Weil es sich bei den gehassten Objekten um antisemitische Imagines und nicht um reale Jüdinnen und Juden handelt, findet nur die männliche Form Verwendung.

Literatur

Brunkhorst, Hauke: Der Intellektuelle im Land der Mandarine. Frankfurt a. M. 1987

Feit, Margret: Die „Neue Rechte“ in der Bundesrepublik. Organisation – Ideologie – Strategie. Frankfurt a. M./New York 1987

Hatzenbichler, Jürgen: Korporation, Tradition und Neue Rechte. In: Mölzer, Andreas (Hg.): Pro Patria. Das deutsche Korporations-Studententum – Randgruppe oder Elite? Graz 1994, S. 251-284.

Holzer, Willibald I.: Rechtsextremismus. Konturen, Definitionsmerkmale und Erklärungsansätze. In: Stiftung DÖW (Hg.): Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Wien 1993, S. 11-96.

Peham, Andreas (2010): Die zwei Seiten des Gemeinschaftsdünkels. Zum antisemitischen Gehalt freiheitlicher Identitätspolitik im Wandel, auf: http://www.gegendenantisemitismus.at/peham_oezp_aktual.pdf

Priester, Karin (2010): Fließende Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa?,  http://www.bpb.de/apuz/32423/fliessende-grenzen-zwischen-rechtsextremismus-und-rechtspopulismus-in-europa?p=all

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Montage aus den Kindheits-/Jugenderinnerungen der freiheitlichen Spitzenfunktionäre Norbert Hofer und Heinz-Christian Strache.

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Quellen:

Heinz-Christian Strache/Andreas Mölzler (2006): Neue Männer braucht das Land. Heinz-Christiain Strache im Gespräch mit Andreas Mölzer. W3-Verlag, S. 20-23.

Norbert Hofer/Elisabeth Schwetz/Mario Arnhold (2014): Leben nach der Querschnittslähmung. FPÖ-Bildungsinstitut, S. 20-22.

Bernhard Weidinger (Twitter: @bweidin)

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Deutschnationale Burschenschafter fungieren in Österreich sowohl als Sammelbecken für parteiförmig organisierte Rechtsextreme (FPÖ Funktionäre) als auch als Anhänger der militanten Neonazi-Szene und sichern sich durch ihre Männerseilschaften Einfluss, Posten und Privilegien. Die burschenschaftliche Organisation selbst baut dabei auf einer Trias auf, deren Säulen ideologisch aufeinander bezogen und zutiefst antifeministisch und sexistisch konzeptioniert sind.

Neben dem völkischen Nationalismus und dem männerbündischen Prinzip vervollständigen Brauchtumsformen wie das in burschenschaftlichen Kreisen kultivierte Mensurwesen diese Trias. So dient der Männerbund und die dahinter stehenden Vorstellungen biologistisch argumentierter Geschlechterdifferenz als sexistisches Ordnungskonzept, das die vermeintlich „natürliche“ Geschlechtertrennung und zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen regelt.

Auch die ideologische wie auch politische, antifeministische Agenda deutschnationaler Burschenschaftern zielt nicht selten auf die Renaturalisierung, also die „Wiederherstellung“ einer vermeintlich „natürlichen“ Geschlechterordnung ab. Dieses strikt duale Geschlechtermodell erfüllt dabei bestimmte Funktionen, wie beispielsweise Einflüsse von vermeintlicher Weiblichkeit aus der Sphäre des Politischen, des Männerbundes oder auch der Gesellschaft fernzuhalten.

Im Vortrag von Judith Goetz und in der anschließenden Diskussion soll der burschenschaftliche Antifeminismus vor dem Hintergrund der Prinzipien des Männerbundes und dem Wesen der Mensur näher beleuchtet werden.

Wann?
Dienstag, 26.01.2016 18:00

Wo?
w23, Wipplingerstrasse 23, 1010 Wien

Das ra.wohnzimmer findet diesmal am letzten Dienstag statt. Vortrag und Diskussion zu „Vergemeinschaftet durch das Abverlangen von Standhalten und Beherrschung“ – Männerbund, Mensur und Antifeminismus bei deutschnationalen Burschenschaften.

https://raw.at/texte/2016/maennerbund-mensur-und-antifeminismus/

Nächstenliebe kann nicht nur eine Fernstenliebe sein.“

Wir müssen zuerst auf unsere Leut’ schauen.“

Wir können nicht alles Leid dieser Welt lindern.“

Was Bundespräsident in spe Andreas Khol gestern – wie berichtet wird, unter dem Applaus des Nationalratsklubs der Volkspartei  zum Besten gab, klang wohlvertraut. Schon Jörg Haider, Heinz-Christian Strache oder Mölzer hatten einst dasselbe Verständnis von Nächstenliebe öffentlich entfaltet, teils in auffälliger Wortgleichheit, verkündet (Mölzer z.B. hier); die FPÖ hatte erst 2013 sogar ihre Nationalratswahlkampagne um das Motiv der Nächstenliebe aufgebaut („LIEBE deine NÄCHSTEN  für mich sind das unsere ÖSTEREICHER“).

Diese Leute hatten sich freilich auch einiges an erbosten Reaktionen von berufener Seite anhören müssen. Es muss nicht bis zur theologischen Unterweisung Haiders durch die Bischofskonferenz 1997 zurückgegangen werden, um ein recht klares Bild über die in den christlichen Kirchen hierzulande vorherrschende Lehrmeinung einzuholen.

Den Kern der Botschaft Jesu bildet die Liebe und Achtsamkeit für die Ausgegrenzten, für die an den Rand Gedrängten, für die Armen und Schwächsten der Gesellschaft, und die Solidarität mit den Notleidenden. Die FPÖ agitiert gerade gegen die Schwächsten in der Gesellschaft, die sich nicht wehren können, und gegen Menschen, die Hilfe brauchen: gegen Asylbewerber, die bei uns das Grundrecht des Schutzes vor Verfolgung und Krieg in Anspruch nehmen, gegen Flüchtlinge und Ausländer.“ 

– So stand es in einer ob ihrer Deutlichkeit (Christen: Widersteht der FPÖ und ihrer Propaganda“) auch heute lesenswerten Resolution von führenden RepräsentantInnen katholischer Fakultäten, Orden und Lai*innenorganisationen von 2009 zu lesen. Die Frage ist nicht, wer ist uns nah, sondern, sind wir bereit, selbst zum Nächsten zu werden?“ Nächstenliebe sei „keine Abstandsmessung, sondern eine Aufgabe, die sich Christinnen und Christen täglich aufs Neue stellen kann“, erklärte in Reaktion auf die FPÖ-Kampagne 2013 von evanglischer Seite Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der sich auch nun wieder im selben Sinne geäußert hat (vgl. ZIB2 vom 14.1.2016). Die von der FPÖ vertretene Beschränkung von Nächstenliebe allein auf Einheimische habe „nichts mit dem christlichen Verständnis von Nächstenliebe zu tun“, assistierten Bischof (AB) Michael Bünker und Oberkirchenrätin Hannelore Rainer. Der Wiener katholische Jugendseelorger Gregor Jansen wiederum ließ Strache ausrichten, dass nach christlicher Lehre „wir uns nicht aussuchen können, wer denn unser Nächster ist“. Für Christ*innen gelte eine „glasklare“ Richtschnur: „Lebe so, dass du dich dem gegenüber, der es jetzt braucht, als Nächster erweist. Unbesehen seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Hautfarbe. Oder seiner Staatsangehörigkeit.“ (alle Zitate hier)

Auch im Feuilleton stieß die freiheitliche Nächstenliebe-Exegese auf breite Ablehnung. Von den christlichen Grundlagentexten her ist … völlig klar, dass eine ethnozentrische, nationalistische Interpretation der Nächstenliebe eine universalistische Dimension ins Gegenteil verkehrt“, erläuterte Ernst Fürlinger in einem STANDARDKommentar der Anderen. Edwin Baumgartner entfaltete in der Wiener Zeitung, dass „der Nächste … der Bedürftige“ sei, der ethnisch und religiös durchaus „der Entfernteste“ sein könne und nicht, wie in freiheitlicher Sicht, ein „zum eigenen Volk Gehörige(r)“ zu sein habe. (Baumgartner vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass „irregeleitetes Christentum“ im geschichtlichenVerlauf „virtuos Feindbilder entwarf, um knallharte eigene Interessen zu vertreten“.)

Selbst die erzkonservative Partei „Die Christen“ hatte  bereits einen Nationalratswahlkampf zuvor  Wert auf Distanz zur FPÖ gelegt, da „(d)er rechtsextreme Rassismus von Strache … mit christlicher Nächstenliebe unvereinbar“ sei (Kleine Zeitung vom 20.5.2008, S. 30).

Freilich legen Vertreter der bis in die 1990er Jahre stramm antiklerikalen FPÖ, wenn sie Begriffe wie Nächstenliebe im Mund führen, Wert auf die Feststellung, dass es sich dabei um allgemeine ethische Grundsätze handle, die zu monopolisieren die christlichen Kirchen kein Recht hätten, und man an theologischen Erörterungen hierzu entsprechend uninteressiert sei (vgl. etwa hier). Vor diesem Hintergrund kann aus christlicher Sicht kritisiert werden, dass Strache einen Begriff usurpiere; sein Argument, dass er sich, weil Kulturchrist, an christliche Lehrmeinungen nicht gebunden fühle, ergibt aber zumindest eine einigermaßen kohärente Position (nachgeholte Firmung und Ministrantenvergangenheit aside).

Khol dagegen repräsentiert eine sich – durchaus nicht nur im kulturellen Sinn – als christlich begreifende Partei, gilt selbst als prononciertester Repräsentant dieses christlichen Erbes innerhalb derselben, die katholische Laieninitiative mitbegründet und gehört mehreren Männerbunden an, die katholische Konfession als Aufnahmevoraussetzung führen.

Nun haben dieser Blog und der Autor dieser Zeilen mit christlicher Dogmatik ähnlich viel zu schaffen wie der freiheitliche Bundesparteiobmann (wenngleich auch FIPU Leute mit Ministriererfahrung in ihren Reihen hat). Inwieweit Khols christlichsoziales Wertgefüge intakt ist, muss dieser mit seinem Gott (oder den von der katholischen Kirche zur Verfügung gestellten Vermittlungsinstanzen) ausmachen, und auch über den Grad an moralischer Verwahrlosung der christlichsozialen Bewegung in Österreich mögen andere richten. Politisch interessant ist aber, dass just der profilierteste dezidiert christlichsoziale Politiker des Landes sich seinen Nächstenliebe-Begriff ohne Zwang von Kickl & Co. diktieren lässt offenbar in der Hoffnung, beim freiheitlichen Anhang Eindruck zu schinden und den blauen Parteistrategen deutlich zu machen, dass eine eigene Kandidatur zur Präsidentschaftswahl einer Verschwendung finanzieller und zeitlicher Ressourcen gleichkäme. Das aus FPÖ-Sicht höchst unerfreuliche Ende der von Khol mitorchestrierten blau-schwarzen Partnerschaft ab 2000 scheint ihm einen derartigen Zuverlässigkeitsnachweis nötig zu machen.

Ob Khols Buhlen um die Gunst der Blauen Erfolg zeitigt, bleibt einstweilen offen. Ebenso die Frage, wie Khol reagiert, sollte er mit ähnlichem Gegenwind von christlicher Seite konfrontiert werden wie ein Strache vor ihm. Greift er zum ultimativen Schritt, wie sein nun-wohl-doch-nicht-Gegenkandidat Norbert Hofer, inzwischen dritter Nationalratspräsident? Dieser war 2009 der oben zitierten FPÖ-kritischen Resolution und ihren Unterzeichner*innen per OTS begegnet:

Ihre widerliche Aktion bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass der Glaube eine höchst persönliche Angelegenheit ist und sich nicht in Vereinen und Kirchen organisieren muss. Ich bin froh, dass ich mit meinem Kirchenbeitrag diese Leute nicht länger unterstützen muss. Ich bleibe den Lehren Jesu, dem Frieden, der Freiheit und der Nächstenliebe verbunden. Ich bleibe Christ. Die katholische Amtskirche hat mich aufgrund der scheinmoralischen Aktivitäten ihrer linken Neo-Inquisitoren, falscher Frömmler und wahrer Heuchler endgültig verloren.“

Bernhard Weidinger

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Anlässlich der heutigen Aussendung von SOS Mitmensch über die Unterstützung der rechtsextremen AULA durch die FPÖ: ein geraffter Rückblick auf einige Lowlights des vergangenen AULA-Jahrgangs.

Das Zentralorgan der völkischen Verbindungen in Österreich im Besitz der Freiheitlichen Akademikerverbände ist nach wie vor eines der relevantesten publizistischen Foren der extremen Rechten in Österreich. Im Berichtsjahr bot die Grazer Monatszeitschrift das gewohnte Potpourri aus rassistischer Hetze, antisemitischen Verschwörungsphantasien, Verunglimpfung von NS-Opfern und Antifaschist_innen sowie kaum verhohlener NS-Nostalgie. Dargebracht wurde all dies in weiter verschärfter Form, sodass eine Einstufung der Zeitschrift als neonazistisch (statt ’nur‘ rechtsextrem) zumindest diskutabel erscheint. Ergüsse über „die Tatsache, daß es verschiedene Menschenrassen gibt“, über die „bedrohte(n) Europiden“ und die „Abschaffung der Weißen“ (Oktober-Nummer, S. 26f.), über „Rassenmischung – multikulturelle Gesellschaft genannt“ oder „die eurasisch-negroide Umvolkung deutschen Landes und ganz Europas“ (Dezember, S. 32 bzw. S. 17) standen 2015 neben Attacken auf die „egalitäre() Utopie, alle Menschen seien gleich“ (Oktober, S. 26) oder auf den „umtriebigen jüdischen Spekulanten“ George Soros (März, S. 5), der „die Vermischung von Menschenrassen durch die Förderung von Völkerwanderungen“ erstrebe und vermittels der „Rothschild-Herrschaftsmethode“ zusammen mit der restlichen „heimatlose(n) Weltfinanz … die totale Kontrolle über Völker, Staaten und deren Regierungen“ ausübe (ebd., S. 44-46). Den von der AULA affirmativ kolportierten Mythen zufolge steht Israel bzw. der „politische() Zionismus“ hinter dem selbsternannten ‚Islamischen Staat‘ (Februar, S. 42) und „ein Rothschild“ hinter dem Attentat auf Charlie Hebdo, wie Burschenschafter Walter Marinovic (Germania Salzburg) argwöhnte. Dieser bezog sich gleichzeitig positiv auf Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ bezieht, die „deren [der Juden, Anm. B.W.] Geldgier und Wucherzinsen verdammte“ und in die Parole „Darum immer weg mit ihnen!“ gipfelte (ebd., S. 30f.). Über eine „(j)üdische Selbstausgrenzung“ in der abendländischen Geschichte wusste die AULA (in Person des NPD-Kaders Karl Richter) im Mai zu berichten. Die „’christlich-jüdische‘ Symbiose sei „künstlich, unhistorisch“ und müsse „der nichtjüdischen Normalbevölkerung erst auf allen Kanälen suggeriert werden“, nicht zuletzt durch „die Infiltration des globalen ‚Weltgewissens‘ mit dem Holocaust-Dogma“. Der Holocaust sei für das Judentum heute „Quelle der Kraft, wenn auch einer negativen, parasitären“. Auschwitz werde „zum Nasenring, an dem sich die Völker willenlos herumführen lassen“ (Mai, S. 12f.). Auch Gedenkveranstaltungen durch „KZ-Besessene“ (Juni, 32f.) sind AULA-Autoren ein Dorn im Auge, eher ihrem Verständnis von Aufarbeitung der Vergangenheit entsprechen Einlassungen über „Mauthausen-Befreite als Massenmörder“ und „Landplage“ (Juli/August, S. 91). Abgerundet wird das Bild von Klagen über den „giftigen Nektar“ des radikalen Feminismus im Allgemeinen und „selbsternannte() Frauenbefreierinnen wie die US-jüdische Lesbe Shulamith Firestone“ im Besonderen (November, S. 58). In parteipolitischer Hinsicht lässt die AULA (Selbstbezeichnung: „Das freiheitliche Monatsmagazin“) keinen Zweifel an ihrer engen FPÖ-Anbindung, die durch regelmäßige Lobartikel und Gefälligkeitsinterviews ebenso dokumentiert wird wie durch umfangreiche Inserate der nach aktuellen Umfragen stärksten Partei des Landes.

Der Absatz ist ein Preview aus einem Artikel von Bernhard Weidinger (FIPU) für den Rechtsextremismusbericht des Grünen Klubs. [Update: Ende Mai 2016 ist der Bericht erschienen – abrufbar hier.]

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Die Androhung einer Neuauflage des Volksbegehrens „Österreich zuerst“ (vulgo „Ausländervolksbegehren“) von 1993 zählte zum schlagzeilenträchtigsten, was das diesjährige ORF-Sommergespräch mit FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache (bis auf weiteres nachzusehen hier) hergab. Unter Jörg Haider hatten die Freiheitlichen bekanntlich begonnen, das plebiszitäre Instrument des Volksbegehrens gezielt und einigermaßen exzessiv für parteipolitische Zwecke einzusetzen. Entsprechend dem populistischer Politik eigenen Drang zur Dauermobilisierung und Selbstdarstellung als Anwalt/Anwältin „des Volkes“ gegen „Fremde“ und abgehobene „Eliten“, aber ebenso zur Befriedigung von Haiders narzisstischer Sehnsucht nach dem Bad in der Menge auch zwischen Wahlkämpfen (so Peter Westenthaler in Nathalie Borgers‘ „Fang den Haider“) wurde nun begehrt, was das Zeug hielt: gegen „Privilegien“ (1987), für die „Rundfunkfreiheit“ (1989), gegen „Ausländer“ (1993), für „Tierschutz“ (1996, von freiheitlichen und grünen Abgeordneten gemeinsam eingeleitet), für den Schilling und ein „atomfreies (sic) Österreich“ (beide 1997).

Wie in so vielem folgte Strache nach seiner Übernahme der Parteiobmannschaft 2005 zunächst auch in dieser Hinsicht dem Haiderschen Vorbild. Wie letzterer initiierte er bereits im Jahr nach seinem Amtsantritt sein erstes Volksbegehren („Österreich bleib frei“), ließ es hernach aber dabei bewenden – unter anderem wohl wegen der relativen Erfolglosigkeit sowohl dieses als auch aller sonstigen seither durchgeführten Volksbegehren in Österreich, gemessen an den Spitzenwerten früherer Jahrzehnte. Die heurige rechte bis rechtsextreme Grassroots-Initiative pro EU-Ausritt wurde von freiheitlicher Seite nur sehr schaumgebremst unterstützt. Nun also holt Strache die plebiszitäre Option wieder aus dem politischen Werkzeugkasten. Im Sommergespräch führte er im Zusammenhang mit der Unterbringung von AsylwerberInnen aus, dass die Bevölkerung vor Ort mittels „Volksabstimmungen“ vorab eingebunden werden müsse. „Ich habe nur die Angst, dass Rot und Schwarz und Grün das wieder einmal verweigern. Wenn sie das verweigern sollten, dann kann ich Ihnen heute schon sagen, dann werden wir ein Volksbegehren initiieren, nämlich ‘Österreich zuerst, Teil 2’, weil es wichtiger denn je ist.“ (Volles Transkript verfügbar bei neuwal.)

Nicht nur in Thematik und Benennung (1) der in Aussicht gestellten Kampagne folgt Strache dem Beispiel Haiders, auch seine Inspiration stammt offenbar aus ähnlichen Quellen wie bei jenem. Über die Vorgeschichte des Originals von 1993 schreibt Wolfgang Purtscheller in seinem Standardwerk über den österreichischen Rechtsextremismus nach 1945: „Haider hatte … mit seinem Volksbegehren etwas zustande gebracht, was der rechtsextremen Szene trotz zwei Jahrzehnte währenden Strebens noch nicht geglückt war. Die FAKTEN [rechtsextremes Zeitschriftenprojekt um Horst-Jakob Rosenkranz, Anm. B.W.] warben zwar so wie AULA und IDENTITÄT [damaliger AULA-Jugend-Ableger, Anm.] seit Mitte 1991 eifrig für ein … Volksbegehren Österreicher für Österreich, dessen Kernpunkt so wie bei Haider die Verfassungsbestimmung „Österreich ist kein Einwanderungsland“ hätte sein sollen. Aber die Kameraden hatten Mühe, die nötigen 10.000 Unterschriften zusammenzukratzen.“ (2) „(W)ir … haben das Glück, daß sich spät, aber doch mit Jörg Haider ein Politiker gefunden hat, der sich nicht scheut, gegen den Widerstand aller etablierten gesellschaftlichen Kräfte dieses Volksbegehren in Gang zu bringen“, jubelte H.-J. Rosenkranz dementsprechend in seinem Rechtsaußen-Periodikum. (3)

Auch Strache rennt mit einem „Ausländer-Volksbegehren“ II am rechten Rand offene Türen ein. Das gegenARGUMENT, ein aktuelles Nebenprodukt des rechtsextremen Burschenschafter-Organs AULA, das auf eine jüngere Klientel zielt und sich vorrangig im Kampagnenjournalismus übt, hatte bereits im Februar 2014 eine solche Neuauflage ins Spiel gebracht. Im heurigen Juni nun (Nr. 2/2015) machte es mit dem Titel „ÖSTERREICH ZUERST 2015. ÖSTERREICH IST KEIN EINWANDERUNGSLAND!“ auf – in starker grafischer Anlehnung an das Originalsujet aus den 90er Jahren. Beigelegt waren auch Sticker im selben Design.

Haider-Auftritt in der Wr. Stadthalle 1993 (Bild via http://www.demokratiezentrum.org)
Haider-Auftritt in der Wr. Stadthalle 1993 (Bild via http://www.demokratiezentrum.org)
gegenargumente 22015 volksbeg
gegenARGUMENT, 2/2015
Aufkleber
Aufkleber

„Volksbegehren JETZT!“, wurde im Heftinneren gefordert. „(D)ie Partei, die ein ähnliches Volksbegehren wie Haider mit ‚Österreich zuerst‘ starten würde, kann sich eine sic) Zustimmung immer breiterer Bevölkerungsschichten sicher sein, denn nicht umsonst galoppiert die FPÖ als einzige Kraft, die das Zuwanderungsproblem kritisch sieht, von Wahlerfolg zu Wahlerfolg.“ (4) In der Juni-AULA selbst war ein entsprechendes ganzseitiges Inserat enthalten. Sowohl dieses als auch das Begleitschreiben an die AbonnentInnen des gegenARGUMENTs enthielt eine Botschaft an den parteipolitischen Arm des österreichischen Rechtsextremismus: „Vielleicht dient diese Ausgabe auch als zeitgerechter Denkanstoß für jene politischen Kräfte in unserem Land, die sich Heimat und direkte Demokratie auf die Fahnen geschrieben haben.“ Das ließ sich die FPÖ offenbar nicht zweimal sagen und erntete damit, wie einst Haider, den zu erwartenden Applaus von ganz rechts außen.
gegenargument volksbegehren

Ob es tatsächlich zur Umsetzung der Ankündigung kommt – FPÖ-Außenpolitiksprecher Hübner hatte bereits im Juni die Existenz entsprechender Überlegungen in der Partei bestätigt, aber eine Entscheidung nicht vor Mitte Oktober (nach den Wahlen in Oberösterreich und Wien) in Aussicht gestellt (5) -, wird sich weisen. Schon jetzt lässt sich anhand dieser Episode festhalten, dass trotz jüngster Bemühungen des FPÖ-Obmannes um ein zumindest im Stil gemäßigteres Auftreten eine freiheitliche Tradition ungebrochen zu sein scheint, die Strache mit dem frühen Haider eint: wie jener nimmt er nach wie vor Flanken von rechtsaußen auf, setzt damit Signale an eine alte Kernklientel der Partei und bekräftigt die Funktion der FPÖ als Sprachrohr und verlängerter Arm des außerparlamentarischen Rechtsextremismus in Österreich.

Bernhard Weidinger (@bweidin)

(1) Der Parole war man ohnehin stets treu geblieben – u. a. verwendete Strache sie im Nationalratswahlkampf 2006 auf Plakaten und trägt ein parteieigener Youtube-Kanal diesen Titel. Harald Vilimsky wirbt (mit EU-Geldern) für sich unter dem Slogan „Österreich zuerst statt EU- & EURO-Wahnsinn“ (vgl. ZUR ZEIT 26/2015, S. 11). 

(2) Wolfgang Purtscheller (1993): Aufbruch der Völkischen. Das braune Netzwerk. Wien: Picus, 362.

(3) Zit. ebd.

(4) gegenARGUMENT 2/2015, o.S.

(5) Ebd.

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Nachdem Benedikt Narodoslawsky im Vorjahr die ÖH für ihre logistische Unterstützung der Proteste gegen den Akademikerball rüffelte, da sie damit ihr Mandat überschritten habe, legt er heuer (FALTER vom 22. 1. 2014) nach: im Grunde sei es nämlich generell „nicht gescheit …, gegen die FPÖ zu demonstrieren“, da der Protest diese zusammenschweiße und ihr die Stilisierung als Opfer erlaube, die sie in Sympathie und letztlich WählerInnenzuspruch umzumünzen verstehe. „Jeder Demonstrant, der seine Stimme erhebt, nützt der FPÖ.“ Ergo: Hände falten, Gosch’n halten. Nichts treffe die FPÖ härter, als „beinhart ignoriert“ zu werden.

Dieser Vorstellung liegt offenbar ein eigenwilliges Verständnis der Erfolgsbedingungen des parteiförmigen Rechtsextremismus im Allgemeinen und der FPÖ im Besonderen zugrunde. Selbstverständlich gehört die Selbstviktimisierung zum Standardrepertoire des autoritär-populistischen Politikmodells, begünstigt sie doch die Mobilisierung der sich verfolgt und verraten Wähnenden. Betrieben wird sie freilich ungeachtet der Demonstrationsbereitschaft politischer Gegner_innen, auch wenn solche Demonstrationen ihr als je aktueller Aufhänger dienen mögen. Bleibt die Hamburger Steinewerferin zuhause, steht die paternalistische EU-Kommissarin, die politisch korrekte Frauenministerin oder der unverschämt kritische ORF-Journalist als alternatives Feindbild des Tages schon bereit. Medienmacher_innen, welche die Taktik der Selbstviktimisierung zumindest erschweren möchten, wären gut beraten, den Blick auf die eigene Zunft zu richten – und sich zu fragen, ob die auch in sich FPÖ-kritisch verstehenden Medien mitunter zu beobachtende Übernahme der freiheitlichen Täter-Opfer-Umkehr anlässlich politischer Proteste gegen Parteiveranstaltungen nicht gehörig zum Gelingen dieser Strategie beiträgt.

Selbst wenn es möglich wäre, der Opferstilisierung durch Demonstrationsverweigerung die Grundlage zu entziehen – die in der österreichischen Bevölkerung massenhaft verbreiteten rassistischen Ressentiments, die das politische Kernkapital der FPÖ darstellen, werden wohl schwerlich aus der Welt geschafft, indem eins ihrer Artikulation freien Lauf lässt und ihnen durch Beschweigen Legitimität verschafft. Ein schwieriges Terrain findet der organisierte Rechtsextremismus vielmehr dort vor, wo seiner Agitation der Segen der Normalisierung verweigert und er in eine defensive Position gedrängt wird. Nichts käme der FPÖ mehr zupass, als endlich als Partei wie jede andere wahrgenommen zu werden – und nicht als jene mit den durchlässigen Grenzen nach ganz rechts außen. Dass ersteres (noch) nicht der Fall ist, liegt nicht zuletzt an der ausdauernden Skandalisierung des Skandalösen durch Antifaschist_innen – nicht nur, aber eben auch auf der Straße. Narodoslawskys Rezept erscheint dagegen eher als Anleitung zur Herstellung freiheitlicher Meinungshegemonie.

Eine Vorbedingung solcher Meinungshegemonie ist gesellschaftliche Salonfähigkeit, die kaum eindrucksvoller verbrieft werden könnte als durch eine Ballveranstaltung im staatstragend-mondänen Ambiente der Wiener Hofburg. Die Entscheidung der Verantwortlichen, Burschenschafter dort tanzen zu lassen, ist in diesem Sinne von eminenter symbolischer Tragweite. Narodoslawskys Position, der Appell von Holocaust-Überlebenden zur Ausladung der freiheitlichen Akademiker sei illegitim, da „in einer Demokratie … alle die gleichen Rechte“ hätten – und eben auch „die Rechten“, ist entgegenzuhalten, dass Demokratie ihrer eigenen Aushöhlung vorzubeugen hat, um Bestand zu haben. Dazu gehört eine politische Kultur, die historische Erfahrungen in sich aufnimmt und sich weigert, NS-relativierende Geschichtsklitterung, (Volks)gemeinschaftsdünkel, Antisemitismus oder völkischen Nationalismus als legitime Argumente im öffentlichen Diskurs anzusehen. Ein Ausdruck einer solchen Haltung ist bekanntlich das Verbotsgesetz, das die Propagandafreiheit von Alt- und Neonazis beschränkt. Ein weiterer ist der Staatsvertrag von Wien, in dem Österreich sich – eigentlich, ließe sich anmerken – zur Unterbindung jener großdeutschen Propaganda (Artikel 4) und jener minderheitenfeindlichen Betätigung (Artikel 7) verpflichtet hat, die seit jeher das Kerngeschäft eben der Verbindungen darstellen, die sich alljährlich in der Hofburg ein Stelldichein geben. Dem kann eins schweigend begegnen oder lautstark; was FPÖ und Burschenschaften lieber wäre, dürfte in der Tat auf der Hand liegen.

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Die Journalistin Kerstin Kellermann interviewte im Mai und im August 2013 Andreas Peham für die Zeitschrift Augustin. Das jüngste Gespräch behandelt die Opferstilisierungen von Kindern und Enkeln von NS-TäterInnen. Davor wurden Abwertung und Vernichtungswünsche von Rechtsextremen auf Obdachlose und „sozial Schwache“ thematisiert. Beide Interviews können nun auch hier nachgelesen werden.

„Was mich nicht umbringt, macht mich härter“

Haider fühlte sich als Nachkomme von Erniedrigten. Warum distanzierten sich die Kinder oder Enkel von österreichischen NationalsozialistInnen so schwer von ihren Eltern? Warum wollten sich die Politiker Jörg Haider und Heinz Christian Strache als Opfer fühlen, anstatt eigene Ambivalenzen zu thematisieren? Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, spricht über verdrehte Opfer-Geschichten. 

In Deutschland protestierten die Söhne und Töchter von Nationalsozialisten gegen ihre Eltern. Warum nicht in Österreich?

Es gibt ein Buch von Claudia Brunner, der Nichte oder Großnichte von Alois Brunner, einem wichtigen NS-Täter. Der Historiker Gerhard Botz arbeitete zu seinem Vater auf dem Balkan, aber erst, als er selber schon emeritiert war. Peter Sichrovsky schrieb schon in den 80er Jahren das Buch „Schuldig geboren“. Er stammt aus einer linken, jüdischen Familie und versuchte, Jörg Haider von seinem Nazi-Vater weg zu bringen. Sichrovsky, der sich zwischen 1994 und 2002 an führender Stelle in der FPÖ engagierte, ist nach Knittelfeld wieder aus der FPÖ ausgetreten. Er sagt später, er ist gescheitert. Jörg Haider hat ihn wie einen Ersatzvater behandelt. Robert Haider, Jörgs echter Vater, war ein illegaler Nazi. Als der „Fall Kampl“ öffentlich diskutiert wurde, sprach Haider über dieses Dilemma: Sigi Kampl, Bürgermeister von Gurk, ein Kärntner, auch in der FPÖ und ebenfalls das Kind von Nazis, beschwerte sich über die brutale Nazi-Verfolgung und denkt dabei natürlich an seine eigene Familie. Haider sagte dann in Reaktion darauf, und das war einer der wenigen ehrlichen Momente in einem Interview: „Sie wissen gar nicht, was es heißt, als Kind von Nazis aufzuwachsen.“

Waren Jörg Haiders Eltern beide Nationalsozialisten?

Ja, auch seine Mutter Dorothea Haider war es. Der Psychotherapeut Klaus Ottomeyer beschrieb, wie insbesondere der geschlagene Nazi-Vater seine Rache- und Revanche-Gelüste auf den Sohn überträgt, an ihn delegiert. Das Verstummen mancher Väter ist aber sicher auch eine Reaktion auf das viele „Heil Hitler“-Schreien am Heldenplatz. Haider stellte sich oft als Opfer dar. Es kann nicht stimmen, aber es ist eine bezeichnende Fantasie von ihm, nämlich dass er hätte mitansehen müssen, wie ehemalige „KZ-ler“ seine Mutter gezwungen hätten, den Boden zu schrubben. Das finde ich ganz spannend. Denn das hat es zu dem Zeitpunkt, an den er sich erinnert, nämlich in den 1950er Jahren, ganz sicher nicht gegeben. Er vermischt ein paar Sachen in diesem Bild, datiert Bilder um. Was stimmt – Stichwort Trümmerfrauen – ist, dass vor allen Dingen Frauen aus Nazi-Familien gezwungen wurden, zum Teil unter Tragen der Hakenkreuzbinden, den Schutt weg zu räumen und zu putzen. In der Fantasie nahm Haider Bilder des straßenwaschenden Juden und projizierte seine Eltern hinein. Es halten sich viele Erzählungen von marodierenden „KZ-lern“, die durch die Lande ziehen, plündern und sich quasi rächen würden. Vereinzelt gab es in Teilen Deutschlands sicherlich solche Fälle. Das betraf aber nicht die eben aus den Lagern Befreiten. Was mir dabei wichtig scheint: Die Nazieltern-Kinder fühlen sich als Nachkommen von Erniedrigten und Beschämten. Die Beschämung muss gar nicht statt gefunden haben, aber die Nachgeborenen empfinden es so. Es ist natürlich eine Erniedrigung und Enttäuschung, die ihnen weiter gegeben wurde.

Aber laut Profil-Recherchen haben sich nicht einmal die Enkel distanziert. Wie gibt’s das?

Es gibt das Buch „Opa war kein Nazi“, eine deutsche Forschungsarbeit, die leider nicht in Österreich fortgesetzt wurde. Viele gestandene Antifaschisten erzählen mir, dass ihr Opa bei der NSDAP, SS oder SA usw. war, Dann aber, und das finde ich so bezeichnend, kommt am Ende immer: „Aber Opa war kein Nazi“. Es gibt das Wissen und dann die Weigerung, dieses Wissen zuzulassen. Das nennt man Absperrung. Ein bestimmtes Wissen bleibt von der Emotion abgesperrt, und festhalten tut man sich nicht am Wissen, dass der Opa ein Nazi war, sondern am Gegenteil. Heinz Christian Strache ist ein anderes gutes Beispiel: Der Vater verlässt die Familie, als er drei Jahre alt ist. Strache hat zwei Großväter. Einer, der ein sogenannter „Vertriebener“ ist, erzählt ihm von klein auf Geschichten aus seiner Heimat. Bei diesen Erzählungen ist sicher viel Anti-Tschechisches dabei, der Großvater hatte sicher viel Wut im Leib, von der er dem Jungen einiges mit gab. Der zweite Opa war bei der Waffen-SS, er fällt im April 1945 bei Trier. Und jetzt kommt es: Strache weiß, dass er gefallen ist, und ich kann beweisen, dass er es weiß, und trotzdem behauptet er, dass sein Opa am 9. Mai von der Resistance, der französischen Widerstandsbewegung, hingerichtet worden sei. Ein „Nachkriegsverbrechen“ des Antifaschismus, so nennt es Strache. Er begreift sich selbst als Nachkomme eines Opfers des Antifaschismus und sein politischer Antrieb besteht maßgeblich darin, den Opa zu rächen.

Woher weißt du das? Welche Quellen hast du?

Ich beziehe mich auf ein Interview, das Strache Andreas Mölzer gab. Darin erzählt er, dass er mit 14 Jahren in der achten Schulstufe erstmalig etwas über den Nationalsozialismus erfährt, das er vorher in der Familie noch nie gehört hat, z. B. über den verbrecherischen Charakter der SS und der Waffen SS. Er hat offenbar einen guten Lehrer gehabt. Und jetzt steht Strache vor der Wahl, wie viele andere auch, entweder die Identifikation mit dem Großvater aufzugeben und sich mit Lehrer oder Lehrerin zu identifizieren, dem Anti-Nazismus, der Zweiten Republik etc., oder die Identifikation nicht aufzugeben und in Opposition zu gehen. Mölzer fragt ihn, was der Anfang seines politischen Engagements war und Strache sagt, das war der Lehrer, der ihm den Opa madig machen will – sinngemäß. Seitdem kämpft er gegen solche Lehrer, gegen so einen Unterricht, gegen den Antifaschismus und gegen die Zweite Republik. Mit sechs Jahren wird Strache ins Internat gesteckt – ein ziemlich strenges Regiment. Ich glaube, zu den Schulbrüdern. Das ist hart, und er beschreibt diese extreme Strenge inklusive Prügelstrafe. Aber, wie fasst Strache dieses Leben zusammen? Er wischt Mölzers Mitleid vom Tisch und sagt, was der Opa angeblich immer gesagt hat: „Was mich nicht umbringt, macht mich härter“. Mit vierzehn geht Strache schon in die Burschenschaft. Er ist auf der Suche nach Ersatzvätern und kommt zu dem Zahnarzt Helmut Günther, der ihn rekrutiert.

Ersterscheinung im Augustin 348, 24. 7. – 21. 8. 2013

Habitus ohne Mitleid

Rechtsextreme bauen sich gefährliche Gedankengebäude auf. Hauptmordopfer rechter Gewalt sind in Österreich nicht ominöse „Andere“ oder „Fremde“, sondern Obdachlose, weil Neonazi  deren körperliche und „soziale Schwäche“ verachten und sie vernichten wollen. Ein Interview mit Andreas Peham, dem Rechtsextremismus-Forscher vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes.

Wie hast du dir die Obsession der Aktivisten von der weit rechten „Identitären Bewegung“ erklärt, dass sie wirklich zu den Flüchtlingen in die Votivkirche hinein gegangen sind?

Mir kommt es so vor, als ob die Identitären solche Risikos ganz bewusst eingehen, um dann danach, wenn die Gegenseite falsch oder überreagiert, also vor allem mit körperlicher Gewalt, sich als die Opfer darstellen zu können. Es hat schon etwas von einer bewussten Provokation, einem Kalkulieren, und zum Glück ist dieser Plan der Identitären nicht aufgegangen bis jetzt. Dieses Handeln entspricht ihrem  Hintergrund, den Burschenschaften. Zur Charakterbildung in diesen Verbindungen gehört genau diese Haltung, sich alleine einer Übermacht zu stellen –  sie sprechen vom tragischen Heroismus. Das entspricht der Tradition der Spartaner, auf die sie sich beziehen und entspricht einem Habitus, den Norbert Elias in seinen „Studien über die Deutschen“ als „Habitus ohne Mitleid“ bezeichnet hat. Die Burschenschaften lernen vor allem mit dem Mittel der Mensur ihre Angst vor körperlicher Unversehrtheit zu überwinden – in aussichtsloser Lage stehen zu bleiben, ist Teil einer ganz bestimmten Männlichkeit, die vor allem dort sozialisiert wird. Burschenschafter vertreten einen Habitus ohne Mitleid, die Regung der Mitmenschlichkeit wird abgetötet. Du musst ein Jahr durch diese Probezeit als Fuchs und das wissen wir von Aussteigern, du bist der Gewalt der Burschen ausgesetzt. Das Harmloseste ist noch der Trinkzwang: coram publico zu trinken, nicht aufstehen zu dürfen, mit den zu erwartenden Ergebnissen, dass sie sich irgendwann einmal in die Hose machen zum allgemeinen Gaudium. Heinz Christian Strache in einem Interview: „Wer führen will, muss zuvor gehorchen“. Du fängst als kleiner Fuchs an, dann wirst du „geburscht“, bist vollständiges Mitglied und kriegst einen Fuchs zugewiesen, an dem rächst du dich dann, für all das, was du erleiden mußtest. Das heißt offiziell „Burschung“. Die Wehrfähigkeit wird getestet. Sehr männerbündisch. Soldaten, Seeleute, Korps, überall dort, wo fünf, sechs Männer zusammen kommen, besteht für den Neuen Gefahr. Der Männerbund scheint diese Gewaltneigung auch nach innen zu haben.

Mich erinnerten die Identitären an die Obsession der FPÖ, die überall Plakate hatte gegen 45 Flüchtlinge und ständig von Asylmissbrauch oder Asylbetrug redet. Woher kommt diese starke Besessenheit?

Wir haben es hier mit einem Fanatismus zu tun, positiv könnte man es ja als Leidenschaft bezeichnen, bloß geht der überbordende Fanatismus zu Lasten der Realitätsprüfung. Man verliert in dieser Fanatismus-Spirale alle Relationen. An der Stelle der Wirklichkeit baut man einen Popanz auf. Österreich würde systematisch überschwemmt von AsylwerberInnen. Auch  die Bezeichnung „Asylindustrie“ ist ein Popanz, den es in der Realität nicht gibt, sondern es gibt Anwälte und Organisationen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Und das bläst man dann auf zu einer Verschwörung. Das Problem bei den Rechtsextremen ist, im Unterschied zu vielen Politikern: die glauben das tatsächlich! Die Identitären glauben wirklich das Europa untergeht! Dass sie islamisiert werden, dass ihre Frauen und Töchter bald ein Kopftuch tragen müssen. Das ist nicht gespielt, das ist wirklich die subjektive Aufrichtigkeit des Paranoikers und ich verwende hier bewußt nur die männliche Form.

Die Flüchtlinge sagen zu denen „Paranoia people“…

Das ist die beste Bezeichnung, die für diese Menschen jemals gefunden worden ist, das bringt es wirklich auf den Punkt.

Bei der Ausstellung im DÖW steht, dass viele Jugendliche rechtsextrem werden, die von zu Hause aus Gewalterfahrung hatten. Gibt es dazu  Untersuchungen?

Wir beziehen uns auf deutsche Studien. Am Anfang einer Karriere im Neonazismus steht vor allem Gewaltfaszination. Ein bestimmter Kreis von männlichen  Jugendlichen, die Gewalt erfahren, neigt in der Adoleszenz dazu, den Spieß umzudrehen, vom Opfer zum Täter zu werden. Sie kommen mit dieser Gewaltaffinität ins Neonazi-Milieu und dort wird diese Gewalt verherrlicht. Aber dann ganz zielgerichtet auf bestimmte Gruppen gelenkt, die es „verdienen“. Du sollst töten, du darfst töten! Es gibt diese Liedzeile „Mit der Lizenz zu töten, ziehen wir durchs Land. Dann wird alles Kranke erschlagen und niedergebrannt.“ Das ist eine Hymne. Sie fühlen sich subjektiv als Exekutoren von rassistischen Stimmungen. Am Land ist das viel weiter verbreitet als in Großstädten. Dort, wo der Rassimus fast schon bedrohlich hegemonial ist, braucht man sich nicht wundern, dass Jugendliche das als Tatauforderung verstehen. Die glauben dann wirklich die Volksmeinung zu exekutieren.

Wurden die Kinder in Nazi Familien nicht praktisch alleine gelassen mit den Nazi Tätern und Mördern? Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass ein Kind keine „angeborene Identität“ hat. Glaubst du, dass es in den Kinderheimen mehr Rebellion gegen Nazi-Erzieher gab als in den Familien selber?

Wo mehrere Gleichaltrige sind, kann man sich immer auch zusammen schließen und wehren. Doch der Nationalsozialismus als Ganzes zeigt und drückt, jenseits vom Sadismus, Hass auf Kindheit an und für sich aus. Für was steht Kindheit? Für Schwäche. Die Hauptopfer rechter Gewalt sind in Österreich übrigens nicht Flüchtlinge, sondern Obdachlose, also sozial Schwache. Auch das letzte Mordopfer in Wien war ein Obdachloser in der Rotenturmstraße, der wurde von Jürgen K. zu Tode geprügelt. Einem amtsbekannten Neonazi, der nun für zwanzig Jahre in der Anstalt für abnorme Straftäter sitzt. Die These ist, dass es genau diese Schwäche der Opfer ist, die den Blutrausch, in den die Täter geraten, auslöst. Es ist also die körperliche Schwäche, die die Opfer repräsentieren, aber auch und vor allem deren soziale Schwäche, die die Angreifer so wild und aggressiv macht. Weil es sie an die eigene Schwäche erinnert und das ist das Fatale.

Es ist also gar nicht so das ominöse „Andere“, sondern das Schwache. Frauen dürften sie nicht so sehr als schwach ansehen…

Es gibt schon auch sexualisierte Gewalt. In Vorarlberg z.B. die Gruppenvergewaltigung einer 14 Jährigen, die noch dazu in die Neonazi-Gruppe eigentlich rein wollte.

Woher kommen all die Todesmetaphern, die ständig vorkommen? Wie „Es lebe der Tod“ als Parole der rumänischen Neonazis, die für die Liquidierung der Roma und Sinti eintreten? Wieso kippt es dann in reale Tote, wie jetzt in Deutschland, oder bei den russischen Neonazis, die einen Film ins Netz stellen, wie sie einen afrikanischen Flüchtling töten! 

Ich glaube, da muss man zwei Sachen auseinander halten, die Gewalt nach innen und die nach außen. Bei den Morden geht es weniger um den Tod als Metapher, sondern mehr um die Auslöschung, die Vernichtung des Schwachen, die autoritäre Gewalt, die immer nach unten zielt. Diese Gewalt hat jedoch noch eine weitere Bedeutung: Am Beispiel der Nazis spricht Saul Friedländer vom „Erlösungsantisemitismus“. Und andere von „Erlösung durch Vernichtung“. Der Glaube, der sich im Nationalsozialismus manifestiert hat und auch in seinen quasi religiösen Zügen deutlich wird, hat die Vorstellung zum Inhalt über die Vernichtung der Juden und Jüdinnen selbst erlöst zu werden.

Was für ein Glaube soll das sein?!

Das ist das apokalyptische Schema, ein über die christliche Kultur eingeübtes Schema. Dahinter liegt ein sehr katastrophisches Innenleben, das nach Außen projeziert wird. Es gibt diese wunderbare Formulierung von Mortimer Ostow, einem US-amerikanischen Psychoanalytiker: „One’s apocalypse, is the other’s Holocaust“. Was dem einen die Apokalypse ist, wird dem anderen der Holocaust. Es sind immer die Apokalyptiker, die die Welt untergehen sehen und der Nationalsozialismus hat offen apokalyptische Dimensionen.  Auch heute ist bei Neonazis das affektiv am meisten aufgeladene Symbol die schwarze Sonne! Und die schwarze Sonne in deren Fantasie ist die, die in diesem großen Blutbad aufsteigt. Die richtige Sonne fällt hinein in dieses Blutbad und dann steigt die schwarze Sonne auf und kündigt das neue 1000jährige Reich an. Das sind Endzeitfantasien. Man darf das nicht unterschätzen. Gerade Adoleszente, die immer wieder Identitäts-Diffusion und zentrifugalen Kräften im Inneren ausgesetzt sind, Widersprüchen, die sie fast zerreissen, sind oft anfällig für derartige Symbolik. Und was man auch nicht vergessen darf, ist diese extreme Todesfaszination in der Adoleszenz, die Gewalt nach innen, von der oben die Rede war. Es gibt Lieder, die die Todessehnsucht ausschlachten und weiter führen, da heißt es z.B. „Ins Reich der Helden will ich gehen“, diese Gesänge, in denen man die Bereitschaft ausdrückt,  für Deutschland in den Tod zu gehen. Oft ist es aber auch verbunden mit dem Gedanken, wenn ich endlich tot bin, lacht mich keiner mehr aus… Unter den Gegenstrategien ist die Beziehungsarbeit total wichtig, der Aufbau kontinuierlicher realer Beziehungen, aber auch die Beziehung zu einem Selbst, damit sich ein innerer Raum öffnet, denn sonst schrumpft der innere Raum auf einen Punkt zusammen. Das kann man alles nachholend machen.

Ersterscheinung im AUGUSTIN 343, 30. 4. – 14. 5. 2013

Veröffentlichung der Interviews mit freundlicher Genehmigung von Kerstin Kellermann (www.kerstinkellermann.at).

In ihrem neu erschienenen Buch rekonstruiert die Soziologin Carina Klammer Mechanismen der antimuslimischen Fremdbildproduktion und analysiert deren Stellenwert für Entwicklungen inner- sowie außerhalb der extremen Rechten.
Im Rahmen der jüngsten Aufregung rund um die Facebook Gruppe „Wir stehen zur FPÖ!“ landete die FPÖ erneut in den Schlagzeilen, da am virtuellen Stammtisch u.a. antimuslimische Anfeindungen betrieben und damit einhergehend Morddrohungen ausgesprochen wurden. Insofern büßt die Publikation, die sich antimuslimischen Fremdbilder in der FPÖ seit der Parteispaltung im Jahr 2005 und Heinz-Christian Straches Antritt als Parteiobmann widmet, nicht an Aktualität ein. Anhand von Untergangsimaginationen und dem Appell zur „Abendlandrettung“, so die Conclusio, sollen vornehmlich der altbekannte Rassismus, sowie mehr oder weniger unter der Hand Antisemitismus und Weiblichkeitsabwehr auf die Höhe der Zeit gebracht und salonfähig werden.
Im Rahmen der Analyse werden darüber hinaus Islambilder und antimuslimische Bündnispolitiken innerhalb der extremen Rechten näher beleuchtet, (historische) Referenzen des rechten Abendland-Diskurses aufgezeigt sowie Verflechtungen mit öffentlichen Diskursen und staatlichen Migrations- und Integrationspolitiken betrachtet.
Auch versucht die Autorin den Blick dafür zu stärken, dass innerhalb der Rechtsextremismusforschung Geschlechterverhältnisse als grundlegende Analysekategorie in den meisten Fällen unterbelichtet bleiben. So wird nicht nur ein Blick auf die Instrumentalisierung von Frauenrechten angesichts rassifizierender Politiken geworfen, sondern auch die geschlechterspezfische Struktur von antimuslimischen Ressentiments näher erörtert und mit dem konstitutiven Antifeminismus der FPÖ in Verbindung gebracht.
Ein wesentlicher Teil des Buches widmet sich darüber hinaus der kritischen Auseinandersetzung mit gängigen wissenschaftlichen Begrifflichkeiten und Erklärungsmustern, wobei auch auf Opferkonkurrenz-Debatten Bezug genommen wird, die für die weitere wissenschaftliche Arbeit zum Thema prägend blieben. Dementsprechend wird auch die Frage aufgeworfen, wie unterschiedliche Feindbilder (Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Antifeminismus, Homophobie, etc.) verstärkt in ihrem Zusammenhang gedacht werden können, ohne dass ihre jeweiligen Spezifika und Unterschiede nivilliert werden.

„Es erschien mir – unter anderem angesichts der bestehenden Kontroversen – weder möglich noch erstrebenswert ein Buch über antimuslimische Fremdbilder zu schreiben, welches sich primär an der FPÖ abarbeitet“. Vielmehr sollen Kontextualisierungen und Zusammenhänge herausgearbeitet werden, „die mehr oder weniger weit über die FPÖ hinausreichen, jedoch für ein umfassenderes Verständnis der Thematik bzw. gegenwärtiger antimuslimischer Ressentiments und Rassismen hilfreich bis unabdingbar sind „(S.9).

Über die Autorin:
Carina Klammer ist Soziologin, im Rahmen von FIPU tätig und schreibt ihre Dissertation zum Thema des ideologischen Verhältnisses von „Körper“ und „Geist“ innerhalb der extremen Rechten im Postnazismus. Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste in Wien im WS 2013/14: „Geschlecht gegen den (Schluss-)Strich denken – Vergeschlechtlichte Körper-Bilder im Postnazismus“.

Weitere Informationen zum Buch:
Imaginationen des Untergangs.
Zur Konstruktion antimuslimischer Fremdbilder im Rahmen der Identitätspolitik der FPÖ
Carina Klammer
Erschienen im LIT-Verlag
Reihe: Soziologie, Band 81, 2013, broschiert, 128 Seiten
ISBN: 978-3-643-50520-0

G:/reihe/umschlag/50520-0.dvi
http://www.lit-verlag.de/isbn/3-643-50520-0