von Magdalena Liedl

erschienen auf Broadly

Das Klischee vom rechten Heimchen am Herd gilt schon lange nicht mehr. Nicht nur Männer, auch rechtsextreme Studentinnen schließen sich an Unis zu Verbindungen zusammen. Die österreichischen deutschnational und völkisch gesinnten „Mädelschaften“ gelten dabei als Hardliner.

Es gibt Interviewabsagen und es gibt Interviewabsagen. Die österreichische Studentinnenverbindung „Akademische Mädelschaft Iduna zu Linz“ schickte mir zweiteres, als ich sie kontaktierte, um sie um ein Gespräch über ihre Gruppierung zu bitten. „Da Sie auf diversen Sozialen Netzwerken Ihre (partei)politische Einstellung offen zur Schau tragen, befürchten wir das Fehlen einer nötigen Neutralität als Fundament für eine Zusammenarbeit.“

Nach einigem Nachhaken und der Klärung des Unterschieds zwischen „ journalistischer Recherche“ und „Zusammenarbeit“ ließ mich die Führung der Iduna wissen, sie stünden „journalistischer Tätigkeit grundsätzlich skeptisch gegenüber“, man werde das Thema aber nochmals intern besprechen.

Wie ich noch erfahre, wurde bei immerhin zwei Verbindungstreffen der Iduna darüber diskutiert— mit dem Ergebnis, dass es keine Option war, mit jemandem zu sprechen, der möglicherweise eine andere politische Meinung vertrat. Mit dieser Weigerung ist die Studentinnenverbindung, die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Anneliese Kitzmüller zu ihren Mitgliedern zählen kann, nicht alleine. Auch die Wiener Mädelschaften Nike und Freya wollten nicht mit Broadly sprechen.

Dass es unter männlichen Studentenverbindungen einschlägige Gruppen gibt, die deutschnationales und völkisches Gedankengut vertreten, rechtsextreme Redner zu Veranstaltungen einladen und oft nur knapp an NS-Widerbetätigung vorbeischrammen, dafür gibt es ein zunehmenden Bewusstsein. Doch auch Frauen schließen sich, seit sie an deutschen und österreichischen Universitäten zugelassen sind, zu sogenannten Damenverbindungen zusammen.

Die deutschnationalen und völkischen „Mädelschaften“ in Österreich gelten dabei, wie auch die österreichischen Burschenschaften, als Hardliner innerhalb der Studentinnenverbindungslandschaft im deutschen Sprachraum. Liberale Verbindungen, wie es sie in Deutschland gibt—etwa die Fridericiana, die Frauen und Männer aufnimmt—sucht man in Österreich vergeblich. Hier teilen sich die Damenverbindungen in nur zwei Strömungen auf: konservativ-konfessionelle und deutschnationale—die eigentlichen Mädelschaften.

Diese treten als harmlosen Studentinnengruppen auf, die scheinbar unpolitische Partys organisieren, bei Veranstaltungen von Burschenschaften mit Kuchen Backen und Gedichtvorträgen aushelfen und Studienanfängerinnen dabei unterstützen, sich in den ersten Uni-Semestern zurecht zu finden. Tatsächlich verbreiten sie dabei aber rassistische, deutschnationale und völkische Inhalte.

„Mädelschafterinnen sind zwar Männern nicht gleichgestellt, aber sie erfahren trotzdem eine Aufwertung, indem sie andere abwerten.“

Gerade diese rechtsextremen Frauengruppen erfahren nun an österreichischen Unis in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Seit 2011 gab es drei Neugründungen von rechtsextremen Frauenverbindungen, darunter auch die Iduna in Linz. „Das ist doch auffallend und ziemlich beeindruckend.“, sagt Politikwissenschaftlerin Judith Goetz, die zu rechtsextremen Verbindungen forscht, gegenüber Broadly.

„Die Partizipationsfelder von Frauen sind im modernen Rechtsextremismus breiter geworden.“, erklärt sie dieses Phänomen. „Dadurch steigt auch das Bedürfnis, sich zu organisieren.“ Die klischeehaften Rollen, die rechten Frauen von außen oft zu geschrieben werden, stimmen dabei längst nicht mehr. Sie sind in der rechtsextremen Szene genauso aktiv wie die Männer.

Aber warum es dann so schwer sei, mit Mädelschaften in Kontakt zu treten, frage ich Goetz. Burschenschafter geben durchaus Medieninterviews; rechte Gruppen wie die sogenannten „Identitären“, die aktuell auch in Deutschland Fuß fassen wollen, rufen in Wien auch schon mal zu Demonstrationen auf. „Es gibt schon eine Angst oder gewisse Scheu von Mädelschaften, an die Öffentlichkeit zu treten.“, sagt Goetz. Entscheidend ist aber ein anderer Faktor, erklärt sie: Bisher werden Mädelschaften in der Medienberichterstattung kaum beachtet. Sie waren daher nie in der Situation, ihre Positionen rechtfertigen zu müssen und meinen daher, mit Gesprächsverweigerung durchzukommen.

Rechtsextreme Frauen werden, wenn sie denn überhaupt in den Medien vorkommen, gerne als „rechte Heimchen am Herd“ verharmlost. Die einzigen spitzen Gegenstände, die Mädelschafterinnen in die Hand nehmen würden, seien keine Säbel sondern Messer und Stricknadeln, schrieb etwa die österreichische Tageszeitung Kurier. Als die deutsche Rechtsextreme Beate Zschäpe vor Gericht stand, kommentierten Medien ihre Kleidung. Inhaltlich werden rechtsextreme Frauen in der Öffentlichkeit selten konfrontiert.

Auch dass die Mitglieder von Mädelschaften den Burschenschaftern intern nicht gleichgestellt sind, verleitet dazu, sie zu unterschätzen. Mädel fechten etwa keine Mensuren. Das heißt, sie führen keine rituellen Fechtkämpfe wie ihre männlichen Kollegen in Burschenschaften durch, die so ihre „Ehre“ verteidigen und danach stolz Schnitte und Narben im Gesicht, sogenannte „Schmisse“, zur Schau stellen. „Nach der Ideologie der Burschenschaften haben Frauen keine Ehre, die sie verteidigen könnten.“, erklärt Goetz. Daher bleibt den Mädeln der Zugang zum Fechten verwehrt. Sie sind auf Männer angewiesen, die sie im Falle einer Beleidigung in Fechtduellen vertreten. Daher erhalten Mädelschaften häufig einen sogenannten symbolischen „Ehrschutz“ von befreundeten Burschenschaften.

Warum tritt aber eine junge Frau freiwillig in eine Verbindung ein, die sie dermaßen abwertet? „Mädelschafterinnen sind zwar Männern nicht gleichgestellt, aber sie erfahren trotzdem eine Aufwertung, indem sie andere abwerten“, erklärt Goetz. „Im weitesten Sinne kann man sogar sagen: Ausgleich für eigene Diskriminierungserfahrungen.“ Kurz: Sie werden als Frauen zwar diskriminiert, diskriminieren dafür aber andere.

„Frauen können genauso rassistisch und nationalistisch sein wie Männer.“

Auch Leistungsduck kann ein Faktor sein: In Mädelschaften ist zu Hause bei der Familie zu bleiben ein legitimer Lebensentwurf. „Für Frauen, die Schwierigkeiten haben, sich bei verstärkter Arbeitsmarktkonkurrenz durchzusetzen, kann das eine attraktive Position sein.“ Gleichzeitig bieten Mädelschaften Netzwerke für die Karriere für diejenigen, die eine solche anstreben—wenn auch mit Einschränkungen. So ist etwa auch die österreichische Nationalratsabgeordnete und frühere Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz Mitglied der Mädelschaft Sudetendeutschen Damengilde Edda.

Dennoch sind Mädelschaften weder reine Karrierenetzwerke noch Anhängsel von Burschenschaften, sondern stehen ihren männlichen Gegenstücken um nichts nach, was die ideologische Festigung betrifft. Zwar halten sich die österreichischen Mädelschaften bedeckt und wollten mit mir weder über ihre Ideologie noch ihre Aktivitäten sprechen, doch lassen sie in ihren Online-Auftritten einen kleinen Einblick zu, welche Art von Ideen sie bei ihren Verbindungspartys, Liederabenden und Sonnwendfeiern transportieren.

Sieht man sich beispielsweise die Iduna einmal genauer an, stößt man auf einige interessante Dinge: Eine ihrer Farben ist „kornblumenblau“. Diese Farbe stünde für Freiheit und Freundschaft, heißt es auf ihrer Website. Tatsächlich war die Kornblume Symbol und Erkennungszeichen illegaler österreichischer Nazis vor dem Anschluss 1938. Auch der österreichische FPÖ-Präsidentschaftskandidat und Burschenschafter Norbert Hofer trägt dann und wann eine blaue Kornblume am Revers. Die Mitglieder der Iduna kochen bei Veranstaltungen für die Linzer Burschenschaft „Arminia-Czernowitz“. Gegen diese ermittelte die Staatsanwaltschaft 2010 auf Anzeige der Grünen, weil die Burschenschaft NS-Sujets auf ihren Plakaten benutze. Nur ein Hakenkreuz hatten sie aus dem Originalplakat von 1931 dann doch entfernt. Anstatt „Frohe Weihnachten“ wünscht die Iduna ihren Facebook-Fans „Heil Jul!“. Die Nationalsozialisten hatten versucht, das nordische Julfest anstatt des christlichen Weihnachtsfest zu etablieren.

Aber auch die Wiener Mädelschaften Freya und Nike verwenden NS-Symbole. Die Mädelschaft Freya (mit den Verbindungsfarben Schwarz-Rot-Gold und dem Sitz in der berüchtigten Fuhrmannsgasse in Wien, wo auch mehrere deutschnationale Burschenschaften ihre „Buden“ haben) hat etwa den Text des Deutschlandliedes in der Version, in der es von den Nazis gesungen wurde, auf ihrer Facebook-Seite („Deutschland, Deutschland über alles…“). Wie die Iduna feiern auch die Mitglieder im Dezember das Julfest. Ausflüge gibt es nicht nur zu befreundeten Mädelschaften, sondern auch etwa zu einem Fallschirmjäger-Denkmal, das die Wehrmacht 1941 auf Kreta errichtete.

Die Mädelschaft Nike wiederum verkündet auf ihrer Seite, dass Südtirol zu den „deutschen Landen“ gehöre und sie den 8. Mai nicht als Tag der Befreiung feiern würden, ihre Großeltern hätten das schließlich auch nicht getan. Nike tut sich auch mit einer ganzen Reihe von rassistischen, sexistischen und homophoben Beiträgen und Seitenhieben auf Politiker_innen und Aktivist_innen hervor, die auch mal namentlich inklusive Wohnadresse genannt werden. Die Kommentare dazu können durchaus auch als Drohungen gelesen werden („Da fürchtet sich die Antifa doch glatt vor uns Mädls—na zum Glück sind wir uns am Mittwoch nicht begegnet.“)

All diese Symbole und Aussagen stehen zwar für einschlägiges Gedankengut, sind aber in Österreich nicht verboten, etwa im Gegensatz zum Hakenkreuz. Auf den ersten Blick mögen sie unverfänglich wirken—dass die Kornblume ein Nazi-Symbol ist, ist schließlich nicht unbedingt Allgemeinwissen. Für Mitglieder der rechtsextremen Szene sind derartige Symbole jedoch eindeutig.

Um sich für Frauenangelegenheiten einzusetzen, wegen der Partys oder alleine wegen der Karriere schließt sich jedenfalls niemand einer deutschnationalen Studentinnenverbindung an, schließt Goetz. Junge Frauen, die einer Mädelschaft beitreten, erkennen diese Symbolik ganz genau und schließen sich ihnen genau deshalb an. „Frauen können schließlich genauso rassistisch und nationalistisch sein wie Männer.“

Titelbild: Illustration von Sarah Schmitt; Bild von Adolf Hitler via Wikipedia | CC BY-SA 3.0 DE

erschienen auf vice.com/alps

von Verena Bogner

Im vergangenen April haben Mitglieder der sogenannten Identitären die Aufführung von Elfriede Jelineks Theaterstück „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“ im Audimax gestürmt. Daraufhin wurde das Ensemble für eine Aufführung von der Stadt Wien ins Rathaus eingeladen. Bei eben dieser Aufführung hat die Burschenschaft Hysteria, laut Eigenbeschreibung die älteste Burschenschaft Österreichs, den Saalschutz übernommen. „Wir sind die wahren Hüterinnen der österreichischen Kultur und Tradition“, hieß es damals auf der Hysteria-Seite. Außerdem waren Mitglieder der Hysteria beim Bachmann-Preis anwesend, wo die Autorin Stefanie Sargnagel, die selbst Mitglied der Hysteria ist und im Netz immer wieder von Rechten attackiert wird, den Publikumspreis gewonnen hat.

Am 10. Januar 2016 wurde das erste Mal auf der Facebook-Page der Burschenschaft Hysteria gepostet—und zwar das Bild einer schreienden Hyäne, ihres perfekt ausgewählten Wappentiers. Seitdem finden sich dort regelmäßig Postings zu aktuellen Anlässen wie beispielsweise dem traditionellen Fest zur Sommersonnenwende, das die Hysteria am Donauinselfest gefeiert hatte. Die Burschenschaft Hysteria ist die feministische und längst überfällige Antwort auf deutschnationale Burschenschaften, die in Österreich immer noch Tradition haben und jeden Januar mit dem Akademikerball für Gegenproteste sorgen; und im Zuge dessen auch dafür, dass in der Wiener Innenstadt der eine oder andere umgestoßene Mistkübel wieder aufgestellt werden muss.

Die Burschenschaft Hysteria bewegt sich irgendwo zwischen Satire, Kunstprojekt und radikalem, politischen Aktivismus und macht vor allem eines: Sie zeigt durch diese Zuspitzung auf die deutlichste, brachialste Art die Schwachstellen des Gedankenguts von männerbündlerischen Burschenschaften auf. Mit denen ist sie übrigens eher zu vergleichen als mit klassischen Mädelschaften beziehungsweise Damenverbindungen, von denen es in Österreich aktuell etwas mehr als eine Handvoll gibt. Diese nehmen zwar genau wie die Hysteria nur Frauen auf, aber die Hysteria lehnt sich in ihren Werten, Zielen und Traditionen eindeutig an Männerbünde an.

Die Burschenschaft Hysteria distanziert sich (zumindest offiziell) übrigens von der Behauptung, Satire zu sein, wie sie nach einer Erwähnung im Falter als „satirisch-feministische Burschenschaft“ klarstellt. Auch das gehört zu ihren Kerneigenschaften: Die Hysteria bleibt immer „in character“ und fällt nie aus ihrer öffentlichen Rolle.

Das gilt auch für unsere Anfrage, auf die uns die Burschenschaft Hysteria erklärt, dass sie derzeit keine Interviews gibt und uns bittet, das auf ihrer Facebook-Seite zur Verfügung stehende Material zu verwenden.

Laut der dortigen Eigenbeschreibung steht die Hysteria für starke, ideelle Werte, die Unterdrückung Andersdenkender, aktiven Vaterlandsverrat und bietet neben einer Erweiterung des Horizontes auch lebenslange Freundinnenschaften. Männer sind in der Burschenschaft selbstverständlich nicht erlaubt, denn die gehören laut Hysteria nicht in die Öffentlichkeit, vielmehr sieht sie die Sphäre des Mannes klar im Privaten.

Die Hysteria verlangt von ihren Mitgliedern (und in weiterer Folge auch weltweit) die Angleichung der Zyklen, die Einschränkung des Männerwahlrechts, günstige Abtreibungen, Schleierzwang für Männer und Hodenamputation bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr, bei dem die Frau nicht zum Höhepunkt kommt. Kurz gesagt: Das uneingeschränkte Matriarchat. Die Mitglieder der Hysteria tragen Hyänen-Jacken und rote Deckel. Was auf den ersten Blick lustig und absurd wirkt, trägt in Wahrheit zur Entmystifizierung einer Ideologie mit großem Gefahrenpotenzial bei.


Burschenschaften in Österreich:


Die Literatur- und Politikwissenschaftlerin Judith Goetz, die sich als Mitwirkende der „Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit“ intensiv mit Burschen- und Mädelschaften, beziehungsweise Damenverbindungen beschäftigt, sieht zwischen dem Auftreten und der Organisationsform der Hysteria viele Parallelen zu anderen Burschenschaften.

„Die Burschenschaft Hysteria bezieht sich in ihrer Namensgebung, ihrer Organisationsform als geschlechtshomogene Gruppe und historischen Entstehungsgeschichte nicht nur auf burschenschaftliche Traditionen, sondern auch die vertretenen Werte, Ideale und Forderungen orientieren sich an burschenschaftlichen Vorbildern“, sagt Goetz.

Diese Traditionen und Werte sind laut Goetz unter anderem: Die Verwendung von Couleurnamen (wie Sauhilde oder Sprenghilde), die gegenseitige Anrufung als „Burschen“, strenge Verbindungsprinzipien, der gemeinschaftlich organisierte Alkoholkonsum sowie die Bezugnahme auf das Ritual der Mensur zur Absicherung des eigenen Bundes nach außen. Vor allem das Kämpfen von Mensuren unterscheidet die Hysteria laut Goetz außerdem von gängigen Mädelschaften und Frauenverbindungen, da Frauen dem Weltbild von Burschenschaften zufolge nicht satisfaktionsfähig sind. Im Nichtburschi-Sprech: Sie können nach einer Ehrverletzung die Ehre nicht durch Duellieren wiederherstellen.

Themen, denen sich die Burschenschaft Hysteria immer wieder annimmt, sind auch Sexismus und veraltete Geschlechterrollen—also Konzepte, die Burschenschaften und andere rechte Gruppierungen häufig promoten und beispielsweise mit Kampagnen zum Schutz „unserer Frauen“ vor der Belästigung durch fremde Männer zu festigen versuchen.

Hier sieht Goetz auch die Besonderheit der Hysteria: „Insbesondere der von Burschenschaftern vertretene Sexismus wird von der Hysteria zugespitzt ins Gegenteil verkehrt. Anstelle der Ablehnung von Frauen*-Quoten wird beispielsweise eine Frauen*- und Transgender-Quote von 80 Prozent in öffentlichen Ämtern gefordert. Damit wird auch eine wichtige Kritik am burschenschaftlichen Gedankengut deutlich. Burschenschaften tragen durch ihre männerbündische Organisationsform maßgeblich zur Aufrechterhaltung und Reproduktion biologistischer und hierarchisch gedachter, geschlechterdualistischer Vorstellungen von Gender bei. Die männerbündische Tradition der Burschenschaften verfolgt nicht zuletzt das Ziel, Frauen* aus dem Bund wie auch der Sphäre der Politik fern zu halten. Die Hysteria macht Aspekte zum Thema, die in der Kritik an Burschenschaften lange Zeit ausgespart oder vernachlässigt geblieben sind—wie eben der burschenschaftliche Sexismus und Antifeminismus sowie auch Homo- und Trans-Feindlichkeit. Gerade weil diese Ideologien auch in der so genannten gesellschaftlichen Mitte tief verankert sind, wird oftmals übersehen, dass sie auch einen fixen Bestandteil extrem rechter Denkmuster ausmachen.“

Wie so oft, wenn es um die Diskussion geht, welche Plattform rechten Gruppierungen wie Burschenschaften oder auch den sogenannten Identitären gegeben werden soll, kann auch hier der Eindruck entstehen, dass die Hysteria durch ihr Aufgreifen von burschenschaftlichen Traditionen eben diesen zu viel Bedeutung zumisst, anstatt ihre Mechanismen zu entlarven.

Laut Goetz schenkt die Hysteria Burschenschaften jedoch eben die Aufmerksamkeit, die den oftmals unterschätzten Männerbünden zusteht: „Deutschnationale Burschenschaften wurden und werden in Bezug auf ihre gesellschaftliche wie auch politische Bedeutung bis heute unterschätzt und oftmals als marginalisierte Gruppe Ewiggestriger abgetan. Insofern wird ihnen von Seiten der Hysteria jene Aufmerksamkeit zugemessen, die ihnen tatsächlich auch zukommen sollte.“

Aufgrund ihrer provokanten Inszenierung hat nicht nur Stefanie Sargnagel als Person des öffentlichen Lebens, sondern auch die Hysteria als Ganzes mit Anfeindungen von Rechts zu kämpfen. Erst kürzlich hat die Burschenschaft Hansea zu Wien ein Foto der Hysteria mit dem Text „Besucherinnen vom Planeten der Unbeschlafenen“ und dem Hashtag #linkeweiberausknocken geteilt, was nicht nur das sexistische Gedankengut der Burschenschaft deutlich werden lässt, sondern auch zeigt, dass die Inszenierung der Hysteria am großen Ego der Burschenschaft kratzt. Die Hysteria hat der Burschenschaft daraufhin einen Besuch bei ihrer Bude abgestattet.

Der Hashtag #linkeweiberausknocken hat übrigens eine Vorgeschichte: Auf einer gleichnamigen Webseite wurden Gewaltaufrufe gegen Frauen veröffentlicht, die sich antifaschistisch engagieren, zum Beispiel gegen Natascha Strobl. Außerdem wurden Sticker mit der Aufschrift und ihrem Gesicht darauf in Wien verteilt.

Derartige Untergriffigkeiten von Burschenschaften gegenüber Frauen generell und der Hysteria im Besonderen seien laut Goetz der Versuch, das Fortbestehen der Geschlechterdifferenz und der eigenen Privilegien zu sichern, das durch Gruppierungen wie die Burschenschaft Hysteria mehr denn je infrage gestellt werde: „Mädelschaften und Damenverbindung stellten bislang keine Bedrohung dar, da sie im Rahmen strenger Geschlechterhierachien und klaren Aufgabenverteilungen bestehen. Aufweichungen dieser männerbündischen Strukturen, wie sie jedoch beispielsweise durch die Öffnung von Burschenschaften für Frauen* von statten gehen würden, werden folglich mit einer Bedrohung sowohl für den Fortbestand antiquierter Geschlechterbeziehungen als auch für die eigenen Privilegien in Verbindung gebracht und aktiv bekämpft.“

Die Burschenschaft Hysteria findet einen Weg, Rechte zu entlarven, ohne sich selbst (zumindest was Social Media betrifft) angreifbar zu machen. Sie spielt gezielt mit den Werten und Ansichten „weißer Männer“—denjenigen, die „unsere“ Frauen schützen wollen, aber im nächsten Moment Vergewaltigungsdrohungen auf Facebook verfassen oder die, für die weibliche Emanzipation immer noch der Feind der traditionellen Familie ist. So schafft sie es nicht nur, zu entlarven und uns bewusst zu machen, welches Welt- und Frauenbild ein Teil unserer Gesellschaft eigentlich vertritt, sondern motiviert junge Frauen auch, etwas gegen eben dieses Weltbild zu tun. Nach eigenen Angaben der Hysteria häufen sich inzwischen die Mitgliedsanfragen. Um es mit ihren Worten zu sagen: Noch nie hat Vaterlandsverrat so gut geschmeckt.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

erschienen in fiber #24: boykott

Judith Goetz

Der Besuch deutschnationaler Mädelschafterinnen im Autonomen Zentrum Linz gibt Anlass, Umgangsformen mit rechten/rechtsextremen Frauen zu überdenken.

Ernst nehmen!

Um die Auseinandersetzung mit rechten/rechtsextremen Frauen (1) ist es in Österreich äußerst dürftig bestellt. Zwar besteht phasenweise ein (nicht selten sensationsorientiertes) Interesse an der Thematik, ein tiefer reichender Diskurs und daraus abgeleitete Umgangsformen stehen jedoch – auch in linken und feministischen Kreisen – weitgehend aus. Rechte/Rechtsextreme Frauen werden meist als politische Subjekte sowie als Anhängerinnen menschenfeindlicher Ideologien nicht ernst genommen und exotisiert. Damit werden sexistische Denkweisen fortgesetzt und ihre systemstabilisierende Funktion verkannt. So beispielsweise bei einer Veranstaltung über rechtsextreme Frauen im Linzer Autonomen Zentrum, zu der auch vier Mitglieder der 2013 gegründeten deutschnationalen, akademischen Mädelschaft Iduna zu Linz gekommen waren. Während bei öffentlichen Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus, beispielsweise in den Hörsälen von Universitäten, Burschenschafter oftmals „toleriert“ werden, weil es kein ausgesprochenes Verständnis darüber gibt, wer bei derartigen Veranstaltungen „erwünscht“ ist oder weil Veranstalter_innen einen fragwürdigen Begriff von „Toleranz“ an den Tag legen, verhält es sich im Kontext dieses autonomen Zentrums anders. In dessen Selbstverständnis heißt es eindeutig: „Deswegen dürfen Rassismus, Sexismus, Heteronormativität, Antisemitismus, Nationalismus sowie Verhalten, das dies wiedergibt bzw. andere Personen – egal auf welche Weise – unterdrückt, keinen Platz haben.“ (2) Gerade diese Ideologien sind, wie beim Vortrag selbst auch sichtbar gemacht wurde, selbstverständlicher Bestandteil des in deutschnationalen Mädelschaften kultivierten Denkens. Dennoch zeigte sich ein großer Teil der Besucher_innen der Veranstaltung nach dem „Outing“ der Mädelschafterinnen nicht unbedingt entschlossen, sie auf Basis dieses Selbstverständnisses zum Gehen zu bewegen, und so musste der Rausschmiss erst durchgesetzt werden. Jene, die mit dem „exotischen“ Besuch Gespräche führen wollten, setzten die Diskussion sogar vor der Tür fort und wurden dafür auf der Facebookseite der Mädelschaft auch noch bejubelt: „Nach dem Rauswurf bei einem Vortrag zum rechtsextremen Geschlecht von Judith Goetz, gab es immerhin fünf, die eine angemessene Gesprächskultur an den Tag legen konnten… Danke für den vorurteilsfreien Abend!“ (3) Wenngleich der „vorurteilsfreie Abend“ eher sarkastisch gemeint sein dürfte, verdeutlicht gerade die Unfähigkeit, den „Mädels“ entschlossene Handlungen entgegen zu setzen, die mangelnde adäquate Umsetzung von linken bzw. feministischen Ansprüchen in die Praxis. Als traurige Bilanz des Abends liegt einerseits die Vermutung nahe, dass wohl andere Konsequenzen gezogen worden wären, hätte es sich um deutschnationale Burschenschafter gehandelt, die das Autonome Zentrum besuchten. Andererseits ergibt sich durch den Vorfall ein dringender Anlass, Fragen nach zufriedenstellenden Umgangsformen mit rechten/rechtsextremen Frauen und der Notwendigkeit einer Gesprächsverweigerung im Sinne eines konsequenten Boykotts erneut zu stellen.

Kritisieren!

Aber nicht nur in linken Kreisen trifft mensch auf die zunehmende Bereitschaft mit AnhängerInnen rechten/rechtsextremen Gedankenguts in Dialog zu treten. Dies lässt sich beispielsweise auch bei diversen Fernsehformaten wie Pro&Contra oder Im Zentrum feststellen, wo eine inklusive Einladungspolitik gegenüber rechtsextremen AkteurInnen unter dem Deckmantel der „ausgewogenen Berichterstattung“ zum Tagesgeschehen zählt. Gerade ihre medialen Inszenierungen tragen weniger zu einer Imageverschlechterung bei als zur Steigerung der Salonfähigkeit ihrer Positionen und zur Fortsetzung des rassistischen, sexistischen, antisemitischen Normalzustandes in Österreich. Eine Problematisierung derartiger Integrationsmöglichkeiten in öffentliche Debatten im Zuge dieser Veranstaltungspolitiken hingegen findet kaum noch statt. Im Gegenteil werden jene, die das Gespräch konsequent boykottieren, mit dem Vorwurf konfrontiert, den Rechten den Raum zu überlassen. Die logische Konsequenz wäre jedoch vielmehr eine kritische Berichterstattung über sie als das Gespräch mit ihnen oder die unkommentierte Wiedergabe rechtsextremer „Stilblüten“ und „Ausfälligkeiten“, die es Rechten/Rechtsextremen erneut ermöglicht, ihre menschenfeindliche Inhalte bei großer öffentlicher Aufmerksamkeit „unters Volk“ zu bringen. Gerade der Anschein eines Dialogs auf Augenhöhe bringt den Trugschluss mit sich, rechtes Gedankengut demaskieren oder offenlegen zu können. Doch wurde in der Vergangenheit auf vielfältige Weise evident, dass gerade die propagandistischen und manipulativen Techniken rechtsextremer Gesprächsführung, die sich hinter dem Ruf nach vermeintlicher Meinungsfreiheit verbergen, das gewünschte Resultat verunmöglichen.

Boykottieren!

Durch den Zusammenschluss rechter/rechtsextremer Frauen beispielsweise in einer Mädelschaft erfahren die beteiligten Frauen nicht nur politische Anerkennung, sondern machen sich auch menschenfeindliche Denkangebote zu eigen. Durch die Gesprächsbereitschaft einzelner Veranstaltungsteilnehmer_innen in Linz wurde den Mädelschafterinnen ein Podium für dieses reaktionäre Gedankengut gegeben, anstatt es schonungslos zu kritisieren. Dieser Propaganda selbst an einem linksradikalen Ort Raum zu geben, trägt in Folge zur weiteren Normalisierung rechtsextremer Ideologien als politisch gleichwertig bei und setzt die Legitimierung derartiger Diskurse ebenfalls fort. Zudem hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass es gerade der Einstieg in die von ihnen geführten Diskurse ist, der selbige auch befördert und nicht die Denunziation bzw. die Kritik an den in ihren Kreisen verbreiteten nationalistischen, rassistischen und antifeministischen Ideologien. Hinzu kommt, dass dabei verkannt wird, inwieweit insbesondere die Frauenpräsenz die rechte Szene auch normalisiert, weil Frauen nicht nur nach außen das Image verbessern, sondern auch leichter Eingang in zivilgesellschaftliche Bereiche wie Elternbeiräte, Vereine etc. und offensichtlich auch linke Strukturen haben. „Diese Unterschätzung kann und wird z.T. auch im rechtsextrem orientierten Milieu bewusst eingesetzt, beispielsweise bei der Anmietung von Räumen für Veranstaltungen, bei der Sammlung von Daten (vermeintlicher) politischer GegnerInnen, des [sic!] Fotografierens derselben, die [sic!] Ansprache von BürgerInnen bei Infoständen oder beim Betrieb von Internetportalen.“ (4) Mädelschaften andere Handlungen entgegenzusetzen als Burschenschaftern, bedeutet letztendlich sie immer noch nicht als potentielle Bedrohung ernst zu nehmen und somit auf sexistische Art und Weise zu verharmlosen.

Anstatt den rechten/rechtsextremen Selbstinszenierungen und -darstellungen als TabubrecherInnen und gesprächsbereite DemokratInnen in die Hände zu spielen, scheint ihre Delegitimation nicht nur an linken Orten längst überfällig. Eine „Entwöhnung“ (5) von diesen österreichischen Zuständen kann jedoch nur durch eine Gesprächsverweigerung im Sinne eines konsequenten Boykotts erzielt werden!

Judith Goetz*

Judith Goetz ist Mitglied der Forschungsgruppe FIPU (www.fipu.at).

  1. Nachdem rechte/rechtsextreme Frauen von einer biologistisch definierten, dichotomen Geschlechterdifferenz ausgehen, wird an dieser Stelle davon abgesehen, die Kategorie Frau/en mit einem * zu versehen. Politiken und Ideologien rechter/rechtsextremer Frauen richten sich explizit gegen eine sozialkonstruktivistische Vorstellung von Geschlechteridentitäten.
  2. http://az-linz.servus.at/?p=175
  3. https://www.facebook.com/permalink.php?id=621014437924467&story_fbid=819549671404275
  4. Offener Brief des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus zur Berichterstattung über die Rechtsextremistin Beate Zschäpe: http://blogs.fu-berlin.de/gender_diversity/files/2011/11/offener-Brief-Forschungsnetzwerk-Frauen-und-Rechtsextremismus.pdf.pdf
  5. https://forschungsgruppefipu.wordpress.com/2013/02/06/entwohnung-tut-not/

8170 Zeichen

Von JUDITH GOETZ

erschienen in an.schläge März 2014

Mädelschaften haben zwar weniger Einfluss als ihre männlichen Kollegen, dürfen aber nicht unterschätzt werden.

Im deutschsprachigen Raum sind Studentenverbindungen an beinahe allen Hochschulen vertreten, aktuell gibt es rund 900 Studentenverbindungen mit etwa 150.000 Mitgliedern. Seitdem Frauen an den Universitäten zugelassen wurden, ist das Privileg, sich in elitären Zusammenschlüssen zu organisieren, jedoch nicht mehr ausschließlich Männern vorbehalten. Auch in Österreich existieren aktuell etwa dreißig Studentinnenverbindungen.

Klare Geschlechtertrennung. Ebenso wie in den Reihen von Studentenverbindungen lassen sich auch in Bezug auf Studentinnenverbindungen unterschiedliche ideologische Lager finden. So gibt es seit dem Beginn ihres Entstehens Anfang des 20. Jahrhunderts auf der einen Seite deutschnationale bzw. national-liberale Mädelschaften und Damenverbindungen und auf der anderen Seite konfessionell orientierte. Die Mehrheit der österreichischen aktiven Studentinnenverbindungen ist christlich. In diesem Kontext hat es zumindest immer wieder Versuche gegeben, gemischte Verbindungen zu gründen. Mädelschaften hingegen sind das Ergebnis des strikt dualen Geschlechtermodells, das in burschenschaftlichen Kreisen verfochten wird und das auch im Verbindungswesen eine klare Geschlechtertrennung vorsieht. Frauen dürfen demnach im männlichen Verbindungsleben nur an ausgewählten Veranstaltungen teilnehmen und übernehmen selbst nur vermeintliche Frauenaufgaben wie die Organisation von Brauchtumsabenden und Sonnwendfeiern oder dienen bei Burschenschafter-Bällen als standesgemäße Tanzpartnerinnen. Wenngleich sich weibliche Verbindungen vor allem in den Anfangsjahren an ihren männlichen Vorbildern orientierten und beispielsweise die hierarchische Organisationsform sowie auch Bräuche, Rituale und Komment (Regelwerk) übernahmen, lassen sich auch Unterschiede festmachen. So ist Frauen das Kämpfen von Mensuren untersagt, wird ihnen doch seit dem Entstehen der Burschenschaften die Satisfaktionsfähigkeit, die Möglichkeit, „Ehre“ nach einer Ehrverletzung oder einer Beleidigung (durch ein Duell) wiederherzustellen, abgesprochen.

Ideologische Gemeinsamkeiten. Da die Organisierung in studentischen Verbindungen während des Nationalsozialismus untersagt war und sich bis 1938 aktive deutschnationale Studentinnenverbindungen teilweise in NS-Organisationen wie der „Studentenkampfhilfe“ oder der „Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen“ eingliederten, dauerte es in Österreich bis Ende der 1980er-Jahre, bis sich deutschnationale Mädelschaften erneut gründeten. Zu den aktiven zählen heute die „Wiener akademische Mädelschaft Freya“ (1988), die „Sudetendeutsche Damengilde Edda“ (2000, Wien), die „Akademische Damenverbindung Barbara zu Leoben“ (2003), der „Verein Grazer Hochschülerinnen“ (1912, wiedergegründet 1987) sowie auch relativ junge Verbindungen wie die seit 2011 existierende „pennale Mädelschaft Sigrid zu Wien“ oder die 2013 gegründete „Iduna zu Linz“. Zudem lässt ein Inserat im aktuellen „Eckart“(1) darauf schließen, dass es zur Gründung einer weiteren Mädelschaft kam, in welcher Universitätsstadt, ist (mir) jedoch bislang nicht bekannt.
Deutschnationale Mädelschaften unterscheiden sich von den männlichen Äquivalenten kaum in den in ihren Reihen kultivierten „Werten“ und Ideologien, wie unter anderem bereits die sogenannten Wahlsprüche der einzelnen Verbindungen verdeutlichen. So haben gleich zwei Mädelschaften (M! Freya und Edda) „Ehre, Freiheit, Vaterland“ zum Motto und auch der „Verein Grazer Hochschülerinnen“, die älteste deutschnationale Verbindung in Österreich, macht kein Hehl aus ihrem Programm: „Gedenke, daß du eine deutsche Frau bist.“ Wie es wohl um das Frauenbild bestellt ist, zeigt sich beispielsweise am Wahlspruch der pM! Sigrid: „Edel sei die Frau, hilfreich und gut.“ Neben durchwegs biologistischen Geschlechterbildern gehören folglich auch völkischer Nationalismus sowie großdeutsche Gedanken zu den gängigen Wertvorstellungen von Mädelschaften.(2)

© famiglia_vienna/flickr

© famiglia_vienna/flickr

Mädchen deutscher Abstammung. Deutschnationale Zusammenschlüsse von Frauen sind aber kein Phänomen, das sich ausschließlich im deutschsprachigen Kontext in Europa antreffen lässt. So wurden seit Ende der 1960er-Jahre auch in Chile drei Mädelschaften ins Leben gerufen, zu denen die 1969 gegründete Mädchenschaft „Erika Michaelsen Koch“ in Santiago, die 1991 gegründete „Amankay“ in Valdivia und die 2004 gegründete „Viktoria“ in Concepción zählen und die bis heute aktiv sind. Weitere aktive Studentinnenverbindungen gibt es außerdem in Lettland, Estland und Belgien, die jedoch zum Großteil konfessionell orientiert sind. Anders als im deutschsprachigen Raum, wo die „deutsche Herkunft“ neben dem Bekenntnis zur „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ eine entscheidende Rolle für die Aufnahme in eine Mädelschaft bzw. Burschenschaft zu sein scheint, reichen in Chile gute deutsche Sprachkenntnisse sowie „aktives Interesse an dieser Sprache und Kultur“ bzw. „an der Erhaltung des deutschen Kulturguts“ als Voraussetzungen aus – wobei die Mädchenschaft „Erika Michaelsen Koch“ hervorhebt: „Mädchen deutscher Abstammung werden bevorzugt.“

Nicht zu unterschätzen. Dennoch kommt Mädelschaften in Österreich ein deutlich geringerer gesellschaftlicher Einfluss als ihren männlichen Gesinnungskameraden zu, die nicht selten wichtige Ämter in Wirtschaft und Politik innehaben. Das zeigte sich beispielsweise auch beim sogenannten „Damenverbindungstreffen“, einem jährlichen Treffen für Mädelschaften und Damenverbindungen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, an dem 2012 in Wien laut Eigenangaben nur neunzig Vertreterinnen teilnahmen. Allerdings sitzen aktuell neben 14 deutschnationalen Burschenschaftern sowie einem Mitglied des Mittelschüler-Kartell-Verbands auch zwei Angehörige von Mädelschaften in den Parlamentsreihen der FPÖ. Die beiden Damen sind keine Unbekannten: Barbara Rosenkranz, Mitglied der sudetendeutschen Damengilde Edda, ist in der Vergangenheit nicht nur durch die Infragestellung des Verbotsgesetzes aufgefallen. In ihrem antifeministischen, homophoben Erstlingswerk „MenschInnen. Gender Mainstreaming. Auf dem Weg zur geschlechtlosen Gesellschaft“ (2008) hetzt sie darüber hinaus gegen Gender Mainstreaming als ein von Feminismus und Marxismus geleitetes Konzept, das „Mütter“ zu geschlechtslosen Arbeitskräften erziehen wolle. Anneliese Kitzmüller wiederum ist sowohl Mitglied der aM! Iduna zu Linz als auch „Hohe Damenobfrau“ der pM! Sigrid zu Wien. Als Familiensprecherin der FPÖ wetterte sie unter anderem gegen „linke Regenbogenträume“ und bezeichnete erst vor Kurzem Mitglieder des Vereins Erinnern Gailtal als „Linksfaschisten“. Zudem schreibt sie im rechtsextremen Monatsmagazin „Aula“ und ist im Vorstand der ebenfalls rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM).
Gerade die beiden Beispiele zeigen, dass Mädelschaften – auch wenn sie zahlenmäßig deutlich kleiner sein mögen und gesellschaftlich weniger relevant – ideologisch ihren männlichen Gesinnungskameraden um nichts nachstehen. Indem ihre Mitglieder (medial und politisch) aber immer wieder lächerlich gemacht werden, werden sie nicht nur als politische Subjekte bzw. Anhängerinnen menschenfeindlichen Gedankenguts nicht ernst genommen, sondern auch sexistische Denkweisen fortgesetzt und ihre systemstabilisierende Funktion verkannt.

Judith Goetz ist Politik- und Literatur-wissenschaftlerin und Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (www.fipu.at).

Fußnoten:
(1) Der „Eckart“ ist eine Monatszeitschrift der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM).
(2)  Mehr zu den ideologischen Hintergründen der Mädelschaften in Stein, Leela: „… der couleurstudentischen Tradition verpflichtet … nach den Bedürfnissen einer Damenverbindung ausgeprägt“ – Teutsche Mädels in Österreich. In: ÖH der Uni Wien (Hrsg.in): Völkische Verbindungen. Beiträge zum deutschnationalen Korporationsunwesen in Österreich. 2009. Online abrufbar unter www.oeh.univie.ac.at/fileadmin/FilesALTREF/voelk._verbindungen.pdf